Z Orthop Unfall 2020; 158(S 01): S95
DOI: 10.1055/s-0040-1717395
Vortrag
DKOU20-429 Allgemeine Themen->26. Freie Themen

Antikoagulantien bei Schenkelhalsfrakturen gar kein Problem!?

H Glaser
1   AK Wandsbek, Orthopädie/Unfallchirurgie, Hamburg
*   präsentierender Autor
,
N Steppat
1   AK Wandsbek, Orthopädie/Unfallchirurgie, Hamburg
,
W Kahl
1   AK Wandsbek, Orthopädie/Unfallchirurgie, Hamburg
,
CW Müller
1   AK Wandsbek, Orthopädie/Unfallchirurgie, Hamburg
› Author Affiliations
 

Fragestellung Die Schenkelhalsfraktur ist eine der häufigsten Frakturen des älteren Patienten.

Die zügige operative Versorgung ist meist das Verfahren der Wahl. Bei verzögerter Versorgung besteht eine erhöhte postoperative Mortalität. Andererseits führt eine bestehende Antikoagulation zu einer erhöhten Blutungsneigung intraoperativ. Fragestellung dieser Studie ist, welchen Einfluss bestehende Antikoagulantion/Thrombozytenaggregationshemmung bei Patienten mit Schenkelhalsfraktur auf das perioperative Management und perioperative Komplikationen hat.

Methodik An einem Level II Traumazentrum wurden über einen Zeitraum von 4 Jahren (2015-2019) alle Patienten über 52 Jahre mit einer Schenkelhalsfraktur identifiziert. Die Patienten wurden in zwei Gruppen (A = Antikoagulation, B= keine Antikoagulation) eingeteilt.

Mit dem Mann-Whitney-Test wurden in SPSS verschiedene Faktoren wie die Gesamtdauer des Aufenthalts in Tagen, die Dauer auf der Intensivstation in Stunden, der Zeitraum zwischen Operation und Entlassung/Verlegung in Frühreha, der Zeitraum zwischen der Aufnahme und dem Operationszeitpunkt, die postoperative Komplikation, eventuelle Gabe von Erythrozytenkonzentraten, sowie der CRP-Wert am dritten postoperativen Tag zwischen den beiden Gruppen verglichen.

Häufigkeiten, explorative Datenanalyse, T-Teste und grafische Darstellungen wurden mit SPSS Version 23 ausgeführt. Die Berechnung der minimal nötigen Fallzahlen erfolgte in SAS University Edition (SAS-UE) mit der Prozedur Proc Power.

Ergebnisse und Schlussfolgerung 253 Patienten konnten in die Studie eingeschlossen werden. Aus der Gesamtheit der Patienten konnten 61 Patienten (20 männlich (32%), 41 weiblich (68%)) mit Antikoagulantien/Thrombozytenaggregationshemmern (A) identifiziert werden. Die Kontrollgruppe (B) hatte 192 Patienten (61 männlich (31,8%), 131 weiblich (68,2%)).

In der Patientengruppe A nahmen 21 NOAK (34,4%), 29 ASS 100mg (47.5%), 9 Marcumar (14.8%) und 2 Clopidogrel (3.3%) als Hausmedikation ein.

Die Gruppe A war im Vergleich zu der Gruppe B älter (82.98 vs. 80.02, p =0.017), hatten keine signifikant verlängerten Gesamtaufenthalt (20.55 Tage vs. 20.02 Tage, p =0.56) und auch die Dauer von Aufnahme bis zur Operation war länger (18h vs. 14h, p =0.22).

Die Gruppe A hatte im Vergleich zu der Gruppe B eine kürzere Verweildauer auf der Intensivstation postoperativ (38.60h vs. 55.24h) p =0.48, hatten weniger postoperative Wundkomplikationen (5 vs. 13, p =0.77) und es sind auch weniger Patienten postoperativ verstorben (3 vs. 9, p =0.61).

Aufgrund unserer retrospektiven Daten ergibt sich kein Hinweis für eine höhere postoperative Komplikationsrate in der Gruppe der Patienten mit bestehendener Antikoagulation.

Ob Antikoagulantien sogar eine “protektive” Funktion haben und durch die häufig notwendigerweise verlängerte Zeit bis zur operativen Versorgung,eine bessere physiologische Ausgangslage für die zum Teil hochbetagten und multiple vorerkrankten Patienten schaffen, gilt es zu diskutieren und in prospektiven Studien weiter zu untersuchen.

Stichwörter Schenkelhalsfrakturen, Geriatrie, Antikoagulantien



Publication History

Article published online:
15 October 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany