Z Sex Forsch 2015; 28(03): 212-226
DOI: 10.1055/s-0041-105447
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Scheitert die Psychoanalyse an der Sexualität?

Thomas Stark
a   Praxis für Psychoanalyse, Psychotherapie und Psychiatrie, Winterthur/Schweiz
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Publication Date:
07 October 2015 (online)

Übersicht

Der Autor stellt einen Zusammenhang her zwischen drei häufig geäußerten Kritikpunkten an der Psychoanalyse und ihrem Umgang mit ihnen und der Klinik der sogenannten frühen Störungen oder Borderline-Fälle. Er erläutert dann seine psychoanalytische Theorie der masturbatorischen Position, bei der der Aussperrung der Sexualität aus dem analytischen Vorgang und der Vermeidung der freien Assoziation eine zentrale Bedeutung zukommt. Vor dem Hintergrund der Theory-of-Mind-Theorie unterscheidet er eine konkretistische und eine repräsentationale Form psychischen Geschehens. Menschen, die als Erwachsene an einer frühen Störung erkranken, erleiden in der Adoleszenz einen Zusammenbruch der psychischen Entwicklung, der in erster Linie ein Scheitern der repräsentationalen Mentalisierung der Sexualität zur Psychosexualität bedeutet, wie sie der Autor versteht. Statt ihrer kommt es zu einer Aussperrung und masturbatorischen Abfuhr der sexuellen Spannung, die mit konkretistischen antisexuellen inneren Dyaden einhergeht. Aufgrund des von der Psychoanalyse einst entdeckten Pansexualismus bedeutet diese Struktur eine allgemeine Behinderung der repräsentationalen Funktionsweise, die sich in der Symptomatik der frühen Störung ausdrückt. Für die Zukunft der klinischen Psychoanalyse kommt der Lösung des beschriebenen Problems große Wichtigkeit zu. Dazu werden abschließend einige Hinweise gegeben.