Aktuelle Dermatologie 2015; 41(12): 537-555
DOI: 10.1055/s-0041-107769
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Frankfurter Dermatologentagung – 11. November 2015, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Annual Frankfurt Dermatology Meeting November 11, 2015, Department of Dermatology and Allergology Johann Wolfgang Goethe-University Frankfurt, Main
A. Pinter
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main
,
M. Wolter
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main
,
R. Kaufmann
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main
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Publication History

Publication Date:
01 December 2015 (online)

17-monatiges Kind mit „blauen Flecken“ – Infantiles, akutes, hämorrhagisches Ödem (Seidlmayersche Kokardenpurpura)

A. Messerschmidt

Anamnese: Die Mutter des 17 Monate alten, männlichen Patienten berichtete, dass wenige Stunden vor Erstvorstellung in der Ambulanz an beiden Armen und Beinen erstmalig spontan gerötete Schwellungen auftraten ([Abb. 1]). Es bestanden weder Schmerzen, Juckreiz noch Fieber oder eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Anamnestisch sei das Kind sonst immer gesund gewesen.

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Abb.1 Linker Unterarm des jungen Patienten mit dem hämorrhagischen Ödem im akuten Zustand.

Untersuchungsbefund: An den Streckseiten der Extremitäten zeigten sich disseminiert verteilte, livid-erythematöse, teils konfluierend-kokardenartige, bis mehrere Zentimeter durchmessende, ödematös-hämorrhagische Plaques. Das übrige Integument stellte sich altersentsprechend regelrecht dar.

Histologie: Es fand sich eine die gesamte Dermis durchsetzende interstitielle, ödematöse Entzündungsreaktion mit neutrophilen und eosinophilen Granulozyten. Fokal fielen nur einzelne frische Hämorrhagien auf ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Interstitielle, ödematöse Entzündungsreaktion sowie vereinzelte Hämorrhagien in der oberen Dermis (HE 40 ×).

Diagnose: In Zusammenschau von Klinik und histologischem Befund stellten wir die Diagnose eines infantilen, akuten, hämorrhagischen Ödems. Differenzialdiagnosen wie traumatische Hämatome und ein Erythema exsudativum multiforme sowie ein malignes Geschehen (z. B. Lymphom) konnten durch den klinischen und histologischen Befund ausgeschlossen werden.

Verlauf: Ohne jede Therapie waren die Hautveränderungen innerhalb einer Woche nahezu komplett abgeheilt. Ein möglicher Auslöser wie zum Beispiel Infekte oder Medikamente konnte bei unserem kleinen Patienten nicht gefunden werden.

Kommentar: Beim infantilen, akuten, hämorrhagischen Ödem (Seidlmayersche Kokardenpurpura) handelt es sich um eine leukozytoklastische Vaskulitis, die ausschließlich die Haut betrifft und spontan abheilt. Bis 2007 waren weltweit zirka 300 Fälle der Erkrankung beschrieben worden. 80 % der Patienten waren bei Diagnosestellung zwischen 6 und 24 Monaten alt. Jungen sind doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. In 70 % der Fälle geht der Erkrankung ein Infekt (Atemwegsinfekt, Diarrhoe oder Harnwegsinfekt) voraus. Laborkontrollen sind in der Regel nicht wegweisend. Die Hautveränderungen entstehen typischerweise rasch und umfassen meist große, rund bis ovale, livid-erythematöse Urticae an Wangen, Ohren und Extremitäten. Oft treten kokardenartige Läsionen und Ödeme der distalen Extremitäten auf. Andere Organe werden in der Regel nicht befallen. Die Hautveränderungen heilen innerhalb von 2 bis 60 Tagen spontan ab. Eine effektive medikamentöse Therapie ist nicht bekannt, systemische Steroide haben keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Wichtig ist, die Krankheit zu kennen und die Angehörigen über das selbstlimitierende, harmlose Krankheitsbild aufzuklären.


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Literatur

1 Fiore E, Rizzi M, Simonetti GD et al. Acute hemorrhagic edema of young children: a concise narrative review. Eur J Pediatr 2011; 170: 1507 – 1511

2 Karremann M, Jordan AJ, Bell N et al. Acute hemorrhagic edema of infancy: report of 4 cases and review of the current literature. Clin Pediatr (Phila) 2009; 48: 323 – 326


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