Dialyse aktuell 2016; 20(01): 22
DOI: 10.1055/s-0042-100692
Journal-Club Pflege
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pflegequalität – Werden pflegesensitive Patientenergebnisse durch das Arbeitsumfeld beeinflusst?

Dietmar Wiederhold
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Publication Date:
22 February 2016 (online)

Quelle: Stalpers D, de Brouwer BJM, Kaljouw MJ, Schuurmans MJ. Associations between characteristics of the nurse work environment and five nurse-sensitive patient outcomes in hospitals: a systematic review of literature. Int J Nurs Stud 2015; 52: 817–835

Thema: Das Pflegepersonal bildet die größte Gruppe an Mitarbeitern im Krankenhaus und hat die häufigsten Patientenkontakte. Das Arbeitsumfeld der Pflege hat einen wesentlichen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit und das Risiko der Entstehung eines Burn-out-Syndroms.

Auf der Patientenseite haben bisher zahlreiche Studien untersucht, wie das Arbeitsumfeld die Pflegequalität beeinflusst und hauptsächlich Zusammenhänge zwischen der Personalausstattung und der Mortalität sowie der Dauer des Krankenhausaufenthaltes von Patienten beschrieben. In früheren Übersichtsarbeiten hat man v. a. die Studienergebnisse mit Fokus auf den Faktor der Personalausstattung aggregiert.

Projekt: In der vorliegenden Untersuchung aus den Niederlanden untersuchten die Autoren den Einfluss weiterer Determinanten des Arbeitsumfeldes, wie die Zusammenarbeit zwischen Pflegenden und Ärzten, auf 5 pflegesensitive Patientenergebnisse (Delirium, Mangelernährung, Schmerz, Sturz, Dekubitus).

Als Forschungsdesign wurde eine systematische Übersichtsarbeit durchgeführt, in die publizierte Studien aus den Jahren 2004–2012 aus den Datenbanken Medline, Cochrane, Embase und CINAHL eingeschlossen wurden. Die methodische Qualität der Arbeiten wurde mit dem Cochrane Critical Appraisal Instrument bewertet.

Ergebnisse: Initial wurden 1120 Studien nach der Datenbankrecherche identifiziert, wovon nur 29 Arbeiten für die eigentliche Auswertung inkludiert werden konnten. Hiernach traten Patientenstürze signifikant seltener bei einer günstigeren Personalausstattung, höheren Personalstunden in der direkten Pflege, einem höheren Bildungsgrad der Pflegenden sowie höherer pflegerischer Erfahrung auf. Bezüglich der Personalausstattung und dem Auftreten eines Dekubitus waren die Ergebnisse unterschiedlich.

Eine positiv wahrgenommene Kommunikation zwischen Ärzten und Pflegenden war sowohl mit geringeren Sturz- und Dekubitusraten als auch mit weniger Medikationsfehlern und nosokomialen Infektionen assoziiert. Geringere pflegerische Erfahrung stand signifikant mit höheren Sturz- und Dekubitusraten in Verbindung. Keine geeigneten Studien wurden gefunden, die den Effekt des Arbeitsumfeldes auf die Parameter Malnutrition und Delirium untersucht haben. Nur eine einzelne Studie beschrieb den Zusammenhang zwischen einer günstigeren Personalausstattung und einem aus Patientensicht besseren Schmerzmanagement.

Fazit: Die Studie zeigt Evidenz im Zusammenhang zwischen dem Arbeitsumfeld Pflegender und pflegesensitiver Patientenergebnisse. Die Ergebnisse der einzelnen Studien sind allerdings nicht eindeutig und zeigen oft keine klaren Schlussfolgerungen. So konnte aus methodischen Gründen keine Metaanalyse der quantitativen Daten durchgeführt werden. Zukünftig werden mehr methodisch gut durchgeführte Längsschnittstudien benötigt, die den Zusammenhang von Arbeitsumfeld und Pflegequalität eindeutiger eruieren.

Schlüsselwörter: Krankenhäuser – pflegesensitive Patientenergebnisse – Pflegequalität – Review – Arbeitsumfeld

Kommentar

Die Daten der vorliegenden Übersichtsarbeit unterstützen das Vorwissen aus vorangegangenen Studien, dass günstigere Arbeitsbedingungen Pflegender die Patientenergebnisse positiv beeinflussen können. Aiken et al. [1] haben in ihrer groß angelegten multizentrischen Beobachtungsstudie, bei der Daten von mehr als 420 000 Patienten ausgewertet wurden, deutlich den Zusammenhang zwischen Personalausstattung und Bildungsniveau Pflegender mit der Mortalität von Krankenhauspatienten nachgewiesen.

Neu ist eine aktuelle Übersicht über weitere Bedingungen des pflegerischen Arbeitsumfeldes im Zusammenhang mit zusätzlichen, über die Mortalität hinausgehenden, pflegesensitiven Patientenergebnissen. Die Studie liefert Evidenz, dass die Personalausstattung, ein gutes Ausbildungsniveau, eine funktionierende interdisziplinäre Kommunikation sowie Erfahrung unabdingbar für eine gute Pflegequalität sind und dies im Rahmen des Personalmanagements berücksichtigt werden muss.

Für die Ergebnisinterpretation muss limitierend beachtet werden, dass keine Metaanalyse der Daten wegen methodischer Mängel der zumeist Querschnittsstudien möglich war. Ebenso wurden Studien ausgeschlossen, die gezielt weitere pflegesensitive Patientenergebnisse, wie Medikationsfehler oder die Rate nosokomialer Infektionen, untersuchten.

Dr. rer. medic. Dietmar Wiederhold, Heilbad Heiligenstadt

 
  • Literatur

  • 1 Aiken LH, Sloane DM, Bruyneel L et al. RN4CAST consortium. Nurse staffing and education and hospital mortality in nine European countries: a retrospective observational study. Lancet 2014; 383: 1824-1830