Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2016; 51(01): 1
DOI: 10.1055/s-0042-101152
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Operationen in einkommensschwachen Ländern bald ohne Anästhetika?

Hugo Van Aken
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Publication Date:
10 February 2016 (online)

Die chinesische Regierung möchte das Anästhetikum Ketamin in Tabelle I der Liste der kontrollierten Substanzen aufzunehmen. Diesem Bestreben widersetzen sich Anästhesisten weltweit.

Wissenschaftler weisen darauf hin, dass Entwicklungsländer bereits unter akutem Mangel an Anästhesisten und anäesthesiologischer Ausrüstung leiden. Wenn angemessen ausgebildete Spezialisten fehlen und nur eine begrenzte Ausrüstung zur Verfügung steht, ist Ketamin einfach zu verabreichen, leicht verfügbar und kostengünstig. In vielen Ländern ist es das einzige verfügbare Anästhestikum und hat sich für eine große Bandbreite chirurgischer Eingriffen als sicher erwiesen.

Ketamin wird allerdings auch als Partydroge verwendet, in der Drogenszene bekannt unter dem Namen „Special K“. Ein Großteil dieses illegal konsumierten Ketamins wird laut Angaben des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime, UNODC) in China hergestellt.China beantragte daher 2014 beim zuständigen Organ der Vereinten Nationen (nach bereits vorangegangenen Eingaben von 2006 und 2012), Ketamin in Tabelle I der Konvention über psychotrope Substanzen von 1971 zu listen, um den illegalen Konsum zu kontrollieren. Dies käme faktisch einem Verbot von Ketamin gleich und würde dessen klinischen Gebrauch beschränken oder komplett unterbinden.

Am 8.12.2015 empfahl die WHO zum vierten Mal seit 2006, Ketamin nicht unter internationale Kontrolle zu stellen – nach Überpüfung der aktuellen Evidenz durch den für Drogenabhängigkeit zuständigen Expertenausschuss der WHO.

Das zentrale Gremium für Drogenpolitik der Vereinten Nationen, die Suchtkommission (Commission on Narcotic Drugs, CND), entschied im März 2015, das Medikament nicht zu listen. Dem folgten Empfehlungen vieler internationaler Gesundheitministerien sowie ein Review des für Drogenabhängigkeit zuständigen Expertenausschusses der WHO. Letzterer betonte die vergleichsweise geringe Stellung von Ketamin im globalen Drogenmissbrauch und seine unverzichtbare Rolle als ein „extrem sicheres Anästhetikum und Analgetikum“, das häufig genutzt wird „in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen“.

China hat nun erneut bei der CND beantragt, Ketamin unter Tabelle I zu listen, wenn die Kommission im März 2016 zusammentrifft, und vom 19.–21.04.2016 soll eine Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinigten Nationen mit dem Schwerpunkt Weltdrogenproblem stattfinden. Die World Federation of Societies of Anesthesiologists (WFSA) hat eine Kampagne gestartet, um auf die Bedrohung von Ketamin aufmerksam zu machen. Auch „Anesthesia & Analgesia“, die älteste Zeitschrift im Fachbereich Anästhesiologie und offizielles Organ der International Anesthesia Research Society, hat auf das wichtige Problem in Ihrer Rubrik „Global Health“ hingewiesen.

Hugo Van Aken

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