Es ist ein normaler hektischer Dienstagmorgen im Zentral-OP. Assistenzärztin Dr. M.
ist im 1. Weiterbildungsjahr und steht gerade noch am Beginn ihrer Rotation in der
Traumatologie. Sie freut sich darauf, viel Neues zu lernen und Erfahrungen zu sammeln;
v. a. auf Regionalverfahren hat sie sich vorbereitet.
Nach dem Kaffee im Aufenthaltsraum mit Begrüßung der Kollegen überfliegt sie den OP-Plan
für den zugewiesenen Saal. Um sich auf die anstehenden Narkosen vorzubereiten, sieht
sie die Anästhesieprotokolle ihrer heutigen Patienten durch.
Die 1. Patientin scheint zunächst keine besonderen Schwierigkeiten zu machen. Sie
ist 23 Jahre alt, bekommt „nur“ eine Arthroskopie des rechten Handgelenks, hat keinerlei
Vorerkrankungen, auch keine Allergien, weist keinerlei Anzeichen für einen schwierigen
Atemweg auf und wiegt 72 kg bei 1,77 m Größe.
Dr. M. begrüßt die aufgeregte Patientin in der Einleitung, stellt sich vor und beginnt
mit dem Team-Time-out. Sie stellt fest, dass es sich um die richtige Person handelt.
Die vorgesehene OP an der rechten Hand stimmt, die Patientin ist nüchtern und alle
nötigen Unterschriften zur Einwilligung in den Eingriff liegen vor. Die Frage, ob
sie eine Prämedikation bekommen habe, verneint die Patientin. Auf weitere Nachfrage
berichtet die Patientin, dass sie bei einer Voroperation ein zentrales anticholinerges
Syndrom (ZAS) hatte und deswegen keine Benzodiazepine nehmen solle; das wäre auch
so mit dem prämedizierenden Kollegen besprochen worden. Beim erneuten Blick auf das
Anästhesieprotokoll kann Dr. M. nun auch entziffern, dass die Patientin nach der letzten
OP ein ZAS hatte. Es liegen jedoch keine weiteren Informationen vor, da die Patientin
weder über einen Anästhesieausweis verfügt noch andere Dokumente, wie z. B. einen
Arztbrief mit Beschreibung der Symptomatik, vorweisen kann.
Dr. M. entscheidet sich nach Rücksprache mit dem zuständigen Facharzt für eine möglichst
triggerfreie Narkose. Es soll weder ein Lokalanästhetikum oder Muskelrelaxans noch
ein volatiles Anästhetikum zum Einsatz kommen. Der kurze Eingriff (ca. 30 min) am
Handgelenk soll in einer Vollnarkose mit Larynxmaske durchgeführt werden. Außerdem
entscheidet sich Dr. M. für eine totalintravenöse Anästhesie (TIVA) mit Fentanyl und
Propofol. Sie hat zwar nachgelesen, dass auch diese Medikamente ein ZAS triggern können
– wie übrigens jedes andere Narkosemedikament auch – hofft aber durch die Anwendung
wenig verschiedener Substanzen zu erreichen, dass die Patientin postoperativ kein
ZAS entwickelt.