Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2016; 51(10): 604-606
DOI: 10.1055/s-0042-101667
Fachwissen: AINS-Secrets
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pssst ... AINS-Secrets! - Heute aus der Notfallmedizin

Andrea Kindler
1   Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Klinikum der J. W. Goethe-Universität Frankfurt
,
Lars Holzer
1   Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Klinikum der J. W. Goethe-Universität Frankfurt
,
Daniel Gill-Schuster
1   Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Klinikum der J. W. Goethe-Universität Frankfurt
,
Kai Zacharowski
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Publication Date:
20 October 2016 (online)

Es ist ein normaler hektischer Dienstagmorgen im Zentral-OP. Assistenzärztin Dr. M. ist im 1. Weiterbildungsjahr und steht gerade noch am Beginn ihrer Rotation in der Traumatologie. Sie freut sich darauf, viel Neues zu lernen und Erfahrungen zu sammeln; v. a. auf Regionalverfahren hat sie sich vorbereitet.

Nach dem Kaffee im Aufenthaltsraum mit Begrüßung der Kollegen überfliegt sie den OP-Plan für den zugewiesenen Saal. Um sich auf die anstehenden Narkosen vorzubereiten, sieht sie die Anästhesieprotokolle ihrer heutigen Patienten durch.

Die 1. Patientin scheint zunächst keine besonderen Schwierigkeiten zu machen. Sie ist 23 Jahre alt, bekommt „nur“ eine Arthroskopie des rechten Handgelenks, hat keinerlei Vorerkrankungen, auch keine Allergien, weist keinerlei Anzeichen für einen schwierigen Atemweg auf und wiegt 72 kg bei 1,77 m Größe.

Dr. M. begrüßt die aufgeregte Patientin in der Einleitung, stellt sich vor und beginnt mit dem Team-Time-out. Sie stellt fest, dass es sich um die richtige Person handelt. Die vorgesehene OP an der rechten Hand stimmt, die Patientin ist nüchtern und alle nötigen Unterschriften zur Einwilligung in den Eingriff liegen vor. Die Frage, ob sie eine Prämedikation bekommen habe, verneint die Patientin. Auf weitere Nachfrage berichtet die Patientin, dass sie bei einer Voroperation ein zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS) hatte und deswegen keine Benzodiazepine nehmen solle; das wäre auch so mit dem prämedizierenden Kollegen besprochen worden. Beim erneuten Blick auf das Anästhesieprotokoll kann Dr. M. nun auch entziffern, dass die Patientin nach der letzten OP ein ZAS hatte. Es liegen jedoch keine weiteren Informationen vor, da die Patientin weder über einen Anästhesieausweis verfügt noch andere Dokumente, wie z. B. einen Arztbrief mit Beschreibung der Symptomatik, vorweisen kann.

Dr. M. entscheidet sich nach Rücksprache mit dem zuständigen Facharzt für eine möglichst triggerfreie Narkose. Es soll weder ein Lokalanästhetikum oder Muskelrelaxans noch ein volatiles Anästhetikum zum Einsatz kommen. Der kurze Eingriff (ca. 30 min) am Handgelenk soll in einer Vollnarkose mit Larynxmaske durchgeführt werden. Außerdem entscheidet sich Dr. M. für eine totalintravenöse Anästhesie (TIVA) mit Fentanyl und Propofol. Sie hat zwar nachgelesen, dass auch diese Medikamente ein ZAS triggern können – wie übrigens jedes andere Narkosemedikament auch – hofft aber durch die Anwendung wenig verschiedener Substanzen zu erreichen, dass die Patientin postoperativ kein ZAS entwickelt.

 
  • Literatur

  • 1 Link J, Papadopoulos G, Dopjans D et al. Distinct central anticholinergic syndrome following general anaesthesia. Eur J Anaesthesiol 1997; 14: 15-23
  • 2 Longo VG. Behavioral and electroencephalographic effects of atropine and related compounds. Pharmacol Rev 1996; 18: 965-996
  • 3 Reyle-Hahn M, Kuhlen R, Schenk D et al. Complications in the recovery room. Anaesthesist 2000; 49: 236-251
  • 4 Senne I, Zourelidis C, Irnich D et al. Central anticholinergic syndrome and apnea after general anaesthesia. A rare manifestation of the central anticholinergic syndrome. Anaesthesist 2003; 52: 608-611