Dialyse aktuell 2016; 20(02): 55
DOI: 10.1055/s-0042-103469
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schnell oder langsam?

Christian Schäfer
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Publication Date:
21 March 2016 (online)

Rund um die Debatte zur geplanten Generalisierung der Pflegeausbildung haben sich die Fronten Mitte Februar verhärtet: Die einen wollen die Reform möglichst schnell durchziehen, um weitere Verzögerungen zu verhindern, die anderen fordern ein Moratorium, um Ungereimtheiten und nicht geklärte, grundlegende Sachverhalte angehen zu können. Es mag zwar spät erscheinen, dass sich die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Scharfenberg (Bündnis 90/Die Grünen) und die Gesundheitsministerin Nordrhein-Westfalens Barbara Steffens (Bündnis 90/Die Grünen) nun konkreter gegen den Gesetzesentwurf aussprechen. Aber Bedenken gegen die Art und Weise der Vereinheitlichung der Ausbildung in der vorliegenden Form und unter den derzeitigen Bedingungen gab es schon länger und aus diversen Kreisen:

Scharfenberg hatte bereits am 16.03.2015 in einem auf http://www.bundestag.de veröffentlichten Interview vorgeschlagen, statt der Generalisierung eine 2-jährige gemeinsame Grundausbildung für die 3 Ausbildungszweige zum Altenpfleger, Krankenpfleger und zum Kinderkrankenpfleger zu etablieren. Darauf könne man dann eine Spezialisierung in die jeweilige Sparte setzen. Eine Petition einer Kinderkrankenschwester, unterstützt von Verbänden der Kinder- und Jugendmedizin, hatte am 01.12.2015 konkret auf die Problematik der gefährlichen Vernachlässigung von jungen Patienten hingewiesen und hat mittlerweile das Ziel der öffentlichen Anhörung erreicht. Kurz zuvor hatten Vertreter der Altenpflege und -medizin die Pläne bzgl. der Pflegeausbildungsreform kritisiert und auch ich habe u. a. im Editorial von Dialyse aktuell 10/2015 darauf aufmerksam gemacht.

Nach einem Bericht der Ärzte Zeitung haben Stand Mitte Februar 2016 ca. 30 Verbände und etwa 2500 Einzelpersonen das Moratorium unterzeichnet. Laut Scharfenberg fehle auch eine Abschätzung, was die Vereinheitlichung koste bzw. wer welchen Anteil tragen müsse. Außerdem seien die Inhalte der reformierten Ausbildung noch nicht genügend definiert. Steffens mahnte zudem an, dass die angestrebte Steigerung der Zahl der Auszubildenden durch die Einführung der Generalistik nicht garantiert sei: In Nordrhein-Westfalen habe sich die Zahl der Ausbildungsplätze in der Altenpflege seit 2010 um ca. 70 % erhöht. Allerdings sei dabei ein Umlageverfahren entscheidend gewesen, über das ambulante Pflegedienste in die Ausbildung integriert werden konnten. Und die Gefahr sei, dass diese Betriebe in Zukunft aussteigen und somit weniger Ausbildungsplätze vorhanden sind.

U. a. Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates (DPR), und SPD-Abgeordnete sind komplett gegen ein Moratorium. Die langen Vorlaufzeiten und Übergangsfristen erzwängen nun Aktionen. Außerdem sei das Gesetz seit Jahren diskutiert worden und seit 2012 Konsens zwischen Bund und Ländern. Zählt man die Bedenken und ungelösten Probleme aber zusammen, so ist es durchaus nachvollziehbar, wenn Steffens wie geschehen ein Gutachten bzgl. der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der geplanten Finanzierung ankündigt. Da das Gesetz einer Zustimmung im Bundesrat bedarf, ist eine Blockade theoretisch möglich. Es bleibt spannend in der Politik und der Pflege!

Spannend sind auch die beiden pflegewissenschaftlichen Artikel in der Rubrik „Pflegeserie“ in dieser Ausgabe der Dialyse aktuell. Lesen Sie die beiden Originalien (den beim Förderpreis Nephrologische Pflege 2015 eingereichten Beitrag von Anke Freudenthal, Bad Rothenfelde, und die in der Redaktion eingereichte Arbeit von Julian Schmidberger, Schemmerhofen) ab Seite 90. Außerdem finden Sie in dem vorliegenden Heft sehr interessante Beiträge in den Rubriken „Fachgesellschaften“, „Magazin“, „Journal-Club“, „Shuntecke“, „Forum der Industrie“ und zum Schwerpunkt „Nephrologische Krankenhausabteilungen“. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre!