manuelletherapie 2016; 20(02): 54-55
DOI: 10.1055/s-0042-104551
Forum
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

5. Freiburger Knorpeltage am 19./20.02.2016

Frederick Hirtz
Further Information

Publication History

Publication Date:
18 May 2016 (online)

Nunmehr in der 5. Auflage fanden die Freiburger Knorpeltage im Konzerthaus statt. Die rund 350 Teilnehmer – der überwiegende Teil davon Ärzte, aber auch Physiotherapeuten – konnten sich 2 Tage lang über neue Trends der Kniechirurgie sowie der Effektivität etablierter Verfahren und der Konsequenzen in der Rehabilitation informieren.

Die Autologe Chondrozytentransplantation (ACT) hat sich mittlerweile als Erfolg versprechendes Verfahren etabliert. Chirurgisch scheint dabei der Erhalt des subchondralen Knochens für das Outcome wichtig zu sein. Die Return-to-Sports-Rate nach ACT ist höher als nach knorpelstimulierenden Verfahren, wobei auch die Mikrofrakturierung und Bohrverfahren weiterhin ihren Stellenwert haben. Es wurde nochmals deutlich gemacht, dass die ACT entgegen vieler Erwartungen keine Arthrosetherapie darstellt.

Auch retropatellare Zelltransplantationen scheinen nach anfänglicher Kritik inzwischen Erfolg versprechender zu sein. Die Physiotherapie spielt sowohl in der Nachbehandlung als auch in der präoperativen Phase eine entscheidende Rolle. Barbara Wondrasch (PT PhD, Österreich) und Wolfgang Schoch (PT MSc, Freiburg) veranschaulichten anhand ihrer Arbeiten, wie die prä- und postoperative Therapie aussehen kann. Wiederholt gab es ein klares Statement für die präoperative Therapie, welche jedoch nach wie vor eine Ausnahme in der Praxis darstellt. Wondrasch et al. [2] konnten sogar bei 63 % ihrer Probanden durch ein präoperatives Training die OP umgehen oder verschieben. Bei diesen Responders waren der Low Symmetrie Index und das Aktivitätsniveau signifikant höher. Inwieweit die Physiotherapie alleine als Therapie bei Knorpelschäden vor allem auch langfristig ausreichen kann und für welche Subgruppen dies gilt, muss jedoch noch in entsprechenden randomisierten klinischen Studien untersucht werden.

Um den richtigen Moment für die Rückkehr zum Sport zu bestimmen, stellte Dr. Gian Salzmann den Algorithmus der Schultessklinik in Zürich vor. Neben der Qualität der Kniebeuge und funktionellen Testverfahren zur quantitativen Beurteilung der Beinachse (Y-Balance Scale, Side Hop Test, Square Hop Test etc.) spielt die Aufklärung der Patienten eine entscheidende Rolle, insbesondere für die Vermeidung einer Kinesiophobie, deren Bedeutung mittlerweile in mehreren Arbeiten deutlich wurde [1]. Ein progressiveres Vorgehen in der Nachbehandlung, vor allem in Bezug auf die frühzeitige Vollbelastung hat auch im 2- und 5-Jahres-Follow-up keinen negativen Einfluss auf das Transplantat, wie Barbara Wondrasch anhand ihrer Studien darlegte.

Für die Arthroseentwicklung sind die Beinachse und der Knieadduktionsmoment ein entscheidender Faktor. In der präoperativen Diagnostik, z. B. für eine mögliche Umstellungsosteotomie, wird aber zumeist lediglich die statische Beinachse zugrunde gelegt. Da diese jedoch oft nicht mit dem dynamischen Knieadduktionsmoment korreliert, sollten mehr funktionelle Aspekte einbezogen werden.

Frank Diemer (PT MSc) zeigte anschaulich, wie sich die Beinachse durch gezieltes Training verbessern lässt. Neben den Gelenkkomponenten der unteren Extremität sollte auch die Rumpfkontrolle nicht unterschätzt und entsprechendes Training in die Therapie eingeschlossen werden. Interessant war auch, dass sich trotz weniger bis keiner biomechanischer Veränderung ein gezieltes Training positiv auf Schmerz und Funktion auswirkt. Für eine dennoch notwendige chirurgische Korrektur der Beinachse boten sich ausreichend Einblicke in verschiedene Operationstechniken. Sollte dies alles die Arthrose nicht verhindern, ist kontinuierliches aktives Training das Mittel der Wahl, wie Sebastian Köcker (PT, Freiburg) anhand der aktuellen Evidenzlage zu konservativen Therapieoptionen darstellte und gleich die praktische Umsetzung der Best Evidence-based Practice in den therapeutischen Alltag im 20-Minuten-Takt mitlieferte.

Ein weiterer Themenblock widmete sich den Meniskuspathologien und den zur Verfügung stehenden chirurgischen Verfahren. Der Erhalt des Meniskus ist relevant für die Vermeidung einer Gonarthrose, dennoch besteht weiterhin eine kontroverse Diskussion, wie viel wann bei wem erhalten werden soll und kann und ob Implantate und Transplantationen zu langfristig besseren Ergebnissen führen. Georg Supp (PT, Freiburg) zeigte wie weg von der medizinischen Diagnose und weitestgehend Hands-off-Techniken eine Selbstbehandlung am Kniegelenk in die Directional Preference wirken können. Auch wenn sich die anatomische/mechanische Veränderung nicht immer erklären lässt, sind die Ergebnisse doch beeindruckend und einfach zu erreichen.

Insgesamt handelte es sich um eine lohnende und hervorragend organisierte Veranstaltung, die Physiotherapeuten einen spannenden Einblick in die Welt und Denkweise der Chirurgie und gleichzeitig auch die Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch und Diskutieren ermöglichte. Neben den Hauptvorträgen boten die „Meet-the-Expert“-Sessions und Workshops Gelegenheit zum Gespräch in kleiner Runde. Die Tatsache, dass mittlerweile auch Physiotherapeuten und Sportwissenschaftler unter den Hauptrednern und nicht mehr nur auf dem parallelen Satellitensymposium waren, zeigt das zunehmende Interesse der Ärzte an physiotherapeutischer Arbeit. Meines Erachtens sollten mehr Therapeuten solche Gelegenheiten nutzen.