ergopraxis 2016; 9(09): 53
DOI: 10.1055/s-0042-104602
rezensionen
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Autismus – Ein authentischer Einblick

Rezensent(en):
Anita Böhme

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. September 2016 (online)

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Wer meint, ein konkretes Bild über Autismus im Kopf zu haben, den belehrt dieses Buch eines Besseren. Die Autorin, die selbst das Asperger-Syndrom hat, liefert in dem biografischen Roman einen tiefen Einblick in die Entwicklung einer jungen Frau mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Marlies Hübner veranschaulicht die fremde Gedankenwelt dieser Menschen so, dass der Leser ihnen gegenüber mehr Verständnis und Respekt entwickeln kann.

Sie erläutert schonungslos die Erfahrungen der jungen Elisabeth in der für Autisten so befremdlichen Welt der „Normalen“. Die Geschichte durchläuft verschiedene zeitliche Perioden, die zudem keine chronologische Reihenfolge aufweisen. Die Autorin beschreibt eindrucksvoll, wie Elisabeth in der Zeit, in der der Autismus noch nicht diagnostiziert wurde, immer wieder an ihre Grenzen stieß. Sie stellt die Probleme und Schwierigkeiten dar, die in Elisabeths Leben auftraten, ohne dass diese die Ursachen kannte, zum Beispiel den Aufbau und Erhalt von Sozialkontakten und die häufige Reizüberflutung. Der Leser erhält einen Einblick in den langen Leidensweg der Menschen in einer Welt, in der sie die Kommunikationsregeln und Reaktionen nicht verstehen, bis hin zur Diagnose und den Umgang mit dieser Erkrankung.

Ein schonungsloser, faszinierender Roman über die vielen Herausforderungen einer jungen Frau mit Autismus. Er sollte in keinem Bücherregal fehlen. Kein Fachbuch ist in der Lage, die Realität eines Betroffenen besser zu vermitteln als der Betroffene selbst.

Anita Böhme, Ergotherapeutin einer Autismusambulanz aus Pennigsehl