Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2017; 52(03): 184-195
DOI: 10.1055/s-0042-105990
Topthema
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geburtshilfe: hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft

Bigna S. Buddeberg
,
Thierry Girard
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Publication Date:
16 March 2017 (online)

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Zusammenfassung

Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen sind eine der häufigsten Schwangerschaftskomplikationen und nach wie vor mit einer hohen Morbidität und Mortalität für Mutter und Kind verbunden. Obwohl 99 % aller mütterlichen Todesfälle in Entwicklungsländern auftreten, sterben auch in den Industrienationen nach wie vor Frauen an den Folgen hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen. Diese umfassen die vorbestehende chronische Hypertonie sowie die in der Schwangerschaft neu auftretenden Pathologien wie schwangerschaftsinduzierte Hypertonie und Präeklampsie. Die physiologischen Veränderungen in der Schwangerschaft erschweren die frühzeitige Unterscheidung zwischen harmlosen Beschwerden und potenziell lebensbedrohlichen Zuständen. Nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit aller in der Geburtshilfe tätigen Fachpersonen kann eine adäquate Versorgung dieser Frauen sichergestellt werden. Der vorliegende Artikel stellt die Ausprägungsformen, Diagnostik und Therapie verständlich dar und diskutiert in diesem Zusammenhang die wichtigsten neuen Erkenntnisse zu hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen.

Das Spektrum hypertensiver Erkrankungen in der Schwangerschaft reicht von vorbestehender chronischer Hypertonie über schwangerschaftsinduzierte Hypertonie bis zu Präeklampsie (PE), HELLP-Syndrom und Eklampsie. Es existiert eine Vielzahl von Richtlinien zu diesem Thema, die jedoch teilweise merkliche Differenzen aufweisen. Ziel des vorliegenden Artikels ist es, dem Leser einen Überblick über die wichtigste aktuelle Literatur zu bieten.

Abstract

Hypertensive disorders of pregnancy are one of the most common complications in pregnancy. They are associated with a high maternal, fetal and neonatal morbidity and mortality. 99 % of all maternal deaths occur in developing countries, but we should not forget that even in highly developed countries mothers still die from the complications of hypertensive disorders of pregnancy. This term encompasses chronic hypertension as well as pregnancy specific disorders such as gestational hypertension and preeclampsia. The physiological changes of pregnancy can make the differentiation between benign symptoms of pregnancy and life threatening conditions challenging. In order to provide optimal care for these women, an interdisciplinary approach between all members of the obstetric care team is crucial. The current review article discusses new advances in the diagnosis and treatment of hypertensive disorders of pregnancy.

Kernaussagen
  • In bis zu 10 % aller Schwangerschaften tritt eine hypertensive Schwangerschaftserkrankung auf. Der Begriff umfasst die vorbestehende chronische Hypertonie, die in der Schwangerschaft neu auftretende schwangerschaftsinduzierte Hypertonie, die Präeklampsie (PE), HELLP und die Eklampsie.

  • Die PE ist eine schwere, potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und Therapie verlangt.

  • Schwangere Frauen mit einer chronischen Hypertonie haben ein erhöhtes Risiko für PE, fetale Wachstumsretardation, vorzeitige Plazentalösung und Frühgeburtlichkeit. Eine antihypertensive Therapie kann dieses Risiko nicht reduzieren.

  • Hypertonie und Proteinurie sind die Kardinalsymptome der PE, müssen jedoch nicht zwingend als erste Symptome auftreten. Bei entsprechender Klinik sollte auch bei ihrer Abwesenheit an eine PE gedacht werden.

  • Unterschieden werden die PE ohne schwere Symptomatik und die PE mit schwerer Symptomatik, außerdem die Early-Onset- und die Late-Onset-Präeklampsie.

  • Orale Antihypertensiva der ersten Wahl sind Labetalol, α-Methyldopa und Nifedipin. Zur i. v. Blutdrucksenkung wird Labetalol, Hydralazin oder Urapidil verwendet.

  • Nach einem eklamptischen Anfall muss die Mutter stabilisiert und der Blutdruck kontrolliert werden, bevor über den Geburtsmodus entschieden wird.

  • Bei PE mit schweren Symptomen muss die Volumengabe eingeschränkt werden, um die Gefahr eines Lungenödems zu reduzieren.

  • Präeklamptische Frauen profitieren von neuraxialen Verfahren zur Analgesie während der Geburt oder als Anästhesie für eine Sectio, da dadurch gefährliche Blutdruckspitzen vermieden werden können. Gerinnungsstörungen bei schwerer PE oder HELLP können aber eine Kontraindikation sein.

  • Eine invasive Blutdruckmessung gehört zum Monitoring der Allgemeinanästhesie bei schwerer PE und HELLP.