Z Gastroenterol 2016; 54(05): 510
DOI: 10.1055/s-0042-106311
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Editorial – Warum darf ein Arzt nicht „gut“ verdienen?

Dagmar Mainz
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Publication Date:
12 May 2016 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

neulich kam ein Freund zu Besuch. Er war bis vor kurzem leitender Angestellter eines Autoherstellers. Er meinte, alle Ärzte, die er kennen würde, würden doch richtig gut verdienen. Sie würden große Autos fahren und Golf spielen. Wir haben dann unsere Einkommen verglichen. Wir haben auch unsere finanziellen Verpflichtungen (Kredite, Versicherungen, Krankenkassenbeiträge, …) verglichen. Er hat ganz gut abgeschnitten.

Warum darf ein Arzt eigentlich nicht „gut“ verdienen? Er hat ein langes Studium mit Kursen und Praktika auch in den Semesterferien und eine lange klinische Ausbildung hinter sich. Bei uns waren das im besten Fall sechs Jahre Innere Medizin und zwei Jahre Gastroenterologie. Warum verdienen wir Ärzte mit unserer tollen Ausbildung nicht so viel wie ein Manager oder ein Bankvorstand? Der Freund meinte, die arbeiten mindestens zehn bis zwölf Stunden jeden Tag. Und die haben so viel Verantwortung.

Ich hatte einen Nachbarn, der war Jurist – Arbeitsrecht. Der hatte damals einen Stundensatz, der war zwanzigmal so hoch wie meiner im Krankenhaus am Feiertag und nachts. Na ja, der war auch richtig gut und gefragt. Wenn wir heute „gefragt“ sind, dann ist das nicht gut. Wir haben dann zu lange Wartezeiten. Wir können mehr arbeiten. Anders als Juristen, Steuerberater, Handwerker … haben wir ein Budget. Wenn wir mehr arbeiten, wird das nicht bezahlt. Aber wir können doch unsere Hilfe suchenden Patienten nicht wegschicken. Das passt nicht ins Berufsbild der Mutter Theresa.

Es könnte jemand dazu kommen, der die Mehrarbeit übernimmt. Nein, geht auch nicht – Bedarfsplanung! Die Terminservice-Stellen werden es bestimmt richten. Ob GOÄ oder Gesundheitssystem insgesamt, es wird nicht verbessert, es wird verschlimmbessert. Ich erinnere mich an einen markigen Satz von Jürgen von der Lippe. Den Eltern eines ungeratenen Kindes rief er zu: „Tut weg, macht neu!“. Das möchte ich auch Politik, GKV, BÄK … zurufen: „Tut weg, macht neu!“

Beim letzten Pizza-Essen haben mir Angela und Michele, die Besitzer der Trattoria, erzählt, dass Sie von morgens bis abends arbeiten, aber es würde Ihnen Spaß machen. Man stelle sich vor, am Ende des Quartals ist das Lokal von Hungrigen belagert, aber das Pizza-Budget ist aufgebraucht!

Manchmal träume ich, wir Ärzte hätten etwas Lokführer- oder Fluglotsen-Mentalität. Im Traum kämpfen wir alle zusammen für angemessene Arbeitsbedingungen, eine adäquate Vergütung und nicht zuletzt für unser Ansehen. Wir sind ja nicht alle korrupt. (Welche Berufsgruppe liegt eigentlich „vorne“ in Sachen Bestechlichkeit?) Schön, wenn die Patienten und Bevölkerung uns unterstützen würden!

Der Freund sagt, Du hättest was Ordentliches lernen können. Ja, schon. Aber es macht mir doch Spaß ...


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