Laryngorhinootologie 2016; 95(12): 853-854
DOI: 10.1055/s-0042-108313
Gutachten+Recht
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Antikorruptionsgesetz tritt in Kraft

Neuordnung der Kooperation bei MedizinproduktenThe Anti-Corruption Act comes into force
R. A. Wienke
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Publication Date:
23 December 2016 (online)

Neuordnung der Kooperation bei Medizinprodukten

Das viel diskutierte Antikorruptionsgesetz wird aller Voraussicht nach noch im Mai 2016 in Kraft treten, nachdem die Neuregelungen vom Deutschen Bundestag und abschließend am 13.05.2016 vom Deutschen Bundesrat verabschiedet sein werden. Mit dem Inkrafttreten wird es für alle Beteiligten im Gesundheitsmarkt ernst: Unzulässige wirtschaftliche Vorteile bei der Zusammenarbeit von Ärzten und Unternehmen der Medizinprodukte- und Pharmaindustrie sind dann endgültig passé. Es gelten dann nicht mehr nur die Verbote der ärztlichen Berufsordnungen und des Vertragsarztrechts; vielmehr schlägt dann der Rechtsstaat mit seinem schärfsten Schwert zu und stellt alle unzulässigen Kooperationen unter Strafe. Die Strafandrohung lautet in besonders schweren Fällen auf Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren; mit einer Geldstrafe ist es dann nicht mehr getan. Wird also z. B. 3 Partnern einer orthopädischen Gemeinschaftspraxis eine strafbare Zusammenarbeit mit einem bestimmten Medizinproduktehersteller nachgewiesen, wandern alle 3 Partner unweigerlich ins Gefängnis, verlieren ihre ärztliche Approbation und müssen mit empfindlichen finanziellen Rückforderungen rechnen.

Es ist also aller höchste Zeit, die Zusammenarbeit zwischen Ärzten in Kliniken und Praxen einerseits und den Unternehmen der Medizinprodukte- und Pharmaindustrie andererseits auf rechtssichere Füße zu stellen. Dazu müssen auch langjährig bestehende und aus wirtschaftlichen Gründen bevorzugte Kooperationen und Usancen aufgegeben werden. Wer hat schon gerne die Ermittlungsbeamten der Polizei oder der Staatsanwaltschaften in der eigenen Praxis oder der Klinik, auch wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die inkriminierte Kooperation mit dem Medizinproduktehersteller ausnahmsweise doch noch gerechtfertigt gewesen ist. „Ist der Ruf erst ruiniert, …..“

Die strafrechtlichen Neuregelungen sind auch bei der Zusammenarbeit mit Herstellern und Lieferanten von Hyaluronsäureprodukten zwingend zu beachten. Daher müssen diese Kooperationen jetzt ganz schnell auf den Prüfstand. Wir erläutern nachstehend einige wichtige Hintergrundinformationen:

  1. In der Vergangenheit haben Ärzte Hyaluronsäureprodukte bei Medizinprodukteunternehmen bezogen und sie zur unmittelbaren Anwendung an ihre Patienten abgegeben. Zuweilen geschah dies auch unter Einschaltung eigens gegründeter Unternehmen, die teilweise von nahen Verwandten geführt wurden. Auf diese Weise haben Ärzte nicht nur mit einer zuweilen optimierten Abrechnung der eigenen ärztlichen Leistung, sondern auch durch den ihren Patienten vermittelten besonderen Service nicht unerheblich profitiert.

    Bei diesen Kooperationsformen sind zuweilen auch Naturalrabatte angenommen und gewährt worden; dabei sind auch Patienten in den Genuss wirtschaftlicher Vorteile gekommen. Oft genug wurde dabei aber auch in der Vergangenheit bereits die Grenze des rechtlich Zulässigen überschritten.

  2. Führende Unternehmen der Medizinprodukteindustrie haben sich daher bereits frühzeitig dazu entschlossen, gewinnoptimierende Vertriebswege für Ärzte in Kliniken und eigenen Praxen fortan nicht weiter anzubieten. Dies aus guten Gründen:

a) Keine gewerbliche Tätigkeit bei ärztlicher Behandlung

Zwar dürfen Ärzte nebenberuflich ein (nicht-ärztliches) Gewerbe betreiben und sich wirtschaftlich betätigen. Es ist ihnen aber streng untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben. Dies bedeutet, dass es nicht zu einer Vermischung von ärztlicher Behandlung und gewerblicher Tätigkeit (Verkauf von Medizinprodukten) kommen darf.

Ärzten ist es daher auch berufsrechtlich verboten, Hyaluronsäurepräparate zu einem geringeren Preis zu erwerben, um sie anschließend mit Gewinn an ihre Patienten abzugeben. Auf diese Weise würden ärztliche und gewerbliche Tätigkeiten des Arztes vermischt. Dies gilt sowohl für den eigenen Gewerbebetrieb des Arztes als auch bei der Einschaltung eines Zwischenhändlers. Ebenfalls macht es keinen Unterscheid, ob das Gewerbe durch den Arzt selbst oder nahe Verwandte betrieben wird.

Eine Ausnahme hiervon besteht nur dann, wenn die Abgabe des Medizinprodukts notwendiger Bestandteil der Therapie ist. Hierauf können sich Ärzte jedoch nur selten berufen. Denn die Identität des Arztes, der einerseits über die Auswahl der Präparate entscheidet und andererseits gleichzeitig wirtschaftlicher Nutznießer der Lieferungen ist, ruft erhebliche Zweifel daran hervor, ob die angewandte Therapie allein medizinischen Aspekten folgt oder sich nicht auch an wirtschaftlichen Kriterien orientiert.

b) Weitergabe von Rabatten

Erhält der Arzt beim Bezug von Medizinprodukten Rabatte, muss er diese an seine Patienten weitergeben (durchlaufende Posten). Es ist nicht zulässig, Patienten die zum Einkaufspreis erworbenen Präparate zu einem höheren Preis anzubieten, um einen Gewinn zu erwirtschaften.

Dies gilt grundsätzlich auch bei der Gewährung von Naturalrabatten. Hierbei besteht zusätzlich das Problem, dass sich Naturalrabatte oft nicht auf alle Patienten gleichermaßen umlegen lassen. In diesen Fällen ist daher besondere Vorsicht bei der Weitergabe an die Patienten zu legen. Mitunter kann es sogar erforderlich sein, solche Rabatte nicht anzunehmen.

c) Abrechnungsbetrug und Verstoß gegen das Antikorruptionsgesetz

Werden bei der Versorgung mit Medizinprodukten Rabatte nicht an Patienten weitergegeben oder werden von Ärzten auf sonstige Weise Leistungen abgerechnet, die tatsächlich nicht oder nicht vollständig erbracht worden sind, steht der Vorwurf des Abrechnungsbetruges im Raum. Hierbei täuscht der abrechnende Arzt über die Höhe der tatsächlich angefallenen Beschaffungskosten. Die Abrechnung des vollen Preises (ohne Weitergabe des selbst erhaltenen Rabatts) beinhaltet regelmäßig die stillschweigende Erklärung, dass die abgerechneten Kosten auch tatsächlich und endgültig entstanden sind. Das ist aber nicht der Fall, wenn der Arzt das Produkt selbst zu einem günstigeren Preis erworben hat. Auch bei der Einschaltung eines Zwischenhändlers liegt in der Regel ein strafbarer Abrechnungsbetrug vor, da hierdurch der tatsächliche Bezug verschleiert und die Verpflichtung zur Rabattweitergabe umgangen wird.

Künftig fallen unzulässige Kooperationsmodelle regelmäßig auch unter das Antikorruptionsgesetz. Nach § 299a StGB kommt eine Strafbarkeit in Betracht, wenn Ärzte bei dem Bezug von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung bestimmt sind, einen Vorteil für sich oder einen Dritten dafür fordern, dass sie einen bestimmten Händler bevorzugen. Ein Vorteil kann auch in der Gewährung von Rabatten liegen, die nicht an den Patienten weitergegeben werden, da dem Arzt hierdurch ein nicht gerechtfertigter wirtschaftlicher Gewinn zufällt.

Ausdrücklich heißt es hierzu in der Gesetzesbegründung:

„Eine Strafbarkeit entfällt, wenn der Arzt die ihm beim Bezug gewährten Rabatte und sonstigen Vorteile zugunsten des Patienten annimmt, um sie an diesen weiterzureichen. Derartige Rabatte dienen dem Wettbewerb und sind im Sinne des Patienten und der Kostenträger.“

Angesichts der zahlreichen Diskussionen um das Antikorruptionsgesetz, welches seinen historischen Ursprung u. a. in den Provisionsgeschäften einer Pharmavertreterin der Firma ratiopharm hatte, werden die gesetzlichen und privaten Krankenkassen, die Kassenärztlichen Vereinigungen, aber insbesondere auch die Mitbewerber im Gesundheitswesen nach dem Inkrafttreten des Antikorruptionsgesetzes mit Argusaugen auf vermeintlich unzulässige Kooperationen schauen. Es ist mit großer Gewissheit damit zu rechnen, dass sowohl die Staatsanwaltschaften als auch die zuständigen Strafgerichte mit aller Härte gegen unzulässige Kooperationsmodelle vorgehen werden, um Zeichen zu setzen.

Um jeden Verdacht einer unzulässigen Zusammenarbeit zu vermeiden, sollten sich Ärzte und Unternehmen der Arzneimittel- und Medizinprodukteindustrie fortan nicht (mehr) an solchen unzulässigen Kooperationen beteiligen. Hierdurch wird gleichzeitig das zuweilen angeschlagene Vertrauen in die Pharma- und Medizinproduktebranche und die gesamte Ärzteschaft wieder gestärkt werden.

Köln im April 2016