Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(06): 385
DOI: 10.1055/s-0042-109214
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kopfschmerz: Verstehen – diagnostizieren – behandeln

Headache Disorders: Basic Principles – Diagnostics – Therapy
Gerhard Hintze
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Publication Date:
22 March 2017 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

nahezu jeder kennt das Symptom und hat bereits darunter gelitten: Kopfschmerzen. Häufig bestehen sie nur kurzzeitig und verflüchtigen sich rasch wieder. In manchen Fällen halten sie aber über Tage, gar Wochen an. Manchmal verschwinden sie, um dann zu rezidivieren. Beschrieben werden an die 200 Arten von Kopfschmerzen, basierend auf internationalen Klassifikationen. Der Schmerz kann einen ganz unterschiedlichen Charakter aufweisen, kann z. B. bohrend, stechend oder dumpf sein. Also: Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz.

Daher ist es für uns Ärzte wichtig, Patienten, bei denen eine ernsthafte Erkrankung Ursache des Symptoms ist, von denen zu unterscheiden, deren Zephalgien auf relativ banalen Ursachen basieren. Die häufigsten Formen sind primäre Kopfschmerzen: Spannungskopfschmerz, Migräne und Clusterkopfschmerz. Diese zeichnen sich durch charakteristische Merkmale aus; daher ist es wichtig, sich vom Patienten die Symptomatik schildern zu lassen und diese durch gezieltes Nachfragen einzuordnen (zum Beispiel: ist der Kopfschmerz chronisch oder episodisch?).

Der Spannungskopfschmerz wird wie ein Ring um den Kopf empfunden, ist von drückendem und dumpfem Charakter. Der Clusterkopfschmerz wiederum wird als kurz andauernder, einseitiger und sehr heftiger Schmerz empfunden, einseitig und mit vegetativen Begleitsymptomen wie Laufen der Nase oder Tränen der Augen assoziiert. Für die Migräne wiederum sind eine Reihe auslösender Einflüsse bekannt.

Sekundäre Kopfschmerzen ziehen weitere Untersuchungen nach sich, um herauszufinden, welche Ursache den Schmerzen zugrunde liegt. Hier gilt es, Alarmzeichen zu erkennen und mit u. U. lebensbedrohlichen Differenzialdiagnosen abzugleichen.

Auf die möglichst exakte Zuordnung der Zephalgie folgt die therapeutische Konsequenz. So stellt beim Clusterkopfschmerz die Insufflation von Sauerstoff das effektive Verfahren der Wahl dar. Triptane werden häufig bei der Migräne eingesetzt. Und schließlich sollen für dieses Krankheitsbild neue Therapieentwicklungen nicht unerwähnt bleiben. Das Calcitonin gene-related peptide (CGRP) spielt bei der Pathogenese eine entscheidende Rolle. Und so ist es nur konsequent, eine hier ansetzende Therapie zu entwickeln. Klinische Studien werden derzeit durchgeführt. Perspektivisch kann man hoffentlich im akuten Anfall einen CGRP-Antagonisten einsetzen. Auf die längere Sicht sind Antikörper, die z. B. subkutan appliziert werden können, eine Option.

Kopfschmerzen sind darüber hinaus oftmals vergesellschaftet mit einer zentralen Dysfunktion in zerebralen Strukturen (Hypothalamus und Trigeminus). Therapeutische und prophylaktische Ansätze zielen deshalb in Richtung Neuromodulation. Überhaupt kommt der Prophylaxe ein hoher Stellenwert zu: Für das jeweilige Krankheitsbild ist individuell zu entscheiden, ob eine medikamentöse oder nicht medikamentöse Kopfschmerzprophylaxe zielführend ist.

All dies und noch viel mehr erfahren Sie in Dossier des vorliegenden Heftes über dieses Symptom, mit dem auch Allgemeinärzte und Internisten im Alltag so oft konfrontiert werden. Hochrangige Autoren haben mitgewirkt. Ich wünsche Ihnen eine anregende, informative Lektüre!

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Prof. Dr. med. Gerhard Hintze