Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2016; 26(04): 154-162
DOI: 10.1055/s-0042-110147
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Überdiagnostik mit Bildgebung bei Rückenschmerzen

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Publication Date:
29 August 2016 (online)

Aus: Dtsch med Wochenschr 2016; 141(10): e96-e10

Hintergrund: Bei akuten nicht-spezifischen Rückenschmerzen sind die Beschwerden üblicherweise selbst begrenzend. Nur bei klinischem Verdacht auf ­einen gefährlichen Verlauf sollte gemäß Nationaler Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz sofort eine bildgebende Diagnostik erfolgen. Ansonsten gilt es, mindestens 6 Wochen abzuwarten.

Patienten und Methodik: Mit Routinedaten der gesetzlichen Techniker Krankenkasse wurde analysiert, bei wie vielen Versicherten, die erstmalig akute Rückenschmerzen hatten und bei denen kein Hinweis auf einen gefährlichen Verlauf vorlag, eine nicht indizierte Bildgebungsdiagnostik erfolgte.

Ergebnisse: Bei ca. 10% der Fälle erfolgte nach Diagnosestellung eine radiologische Bildgebungsdiagnostik. Wenn eine Bildgebung durchgeführt wurde, fand sie in einem Drittel der Fälle zu früh statt oder war gänzlich unnötig. Da es sich methodisch um eine sehr konservative Schätzung handelt, steht zu vermuten, dass in der Versorgungsrealität das Ausmaß der Überdiagnostik größer ist.

Folgerungen: Bei jedem Dritten, der wegen erstmalig aufgetretener akuter nicht-spezifischer Rückenschmerzen eine radiologische Diagnostik erhält, wird die sechswöchige Wartezeit nicht eingehalten. Hochgerechnet auf die gesetzliche Krankenversicherung sind jährlich 48 957 Versicherte betroffen. Überdiagnostik ist nicht nur ökonomisch problematisch, sondern hinsichtlich Patientenorientierung und -sicherheit kann sie dem Patienten auch erheblichen Schaden zufügen – entweder durch die Diagnostik selbst oder durch die Diagnostik ausgelöste Therapieformen.

Linder R et al. Überdiagnostik mit Bildgebung bei Rückenschmerzen. Dtsch med Wochenschr 2016; 141(10): e96-e10