Diabetes aktuell 2016; 14(05): 218-220
DOI: 10.1055/s-0042-114158
Fachgesellschaften
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Patienten mit (entgleistem) Diabetes

Insulinsubstitution bei enteraler und parenteraler Ernährung
Claudia Leippert
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Publication Date:
02 September 2016 (online)

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Patienten mit entgleistem Diabetes und enteraler (EN) oder parenteraler Ernährung (PN) finden sich meist im stationären Setting (Klinik, Pflegeheim), jedoch können auch Pflegepatienten im häuslichen Umfeld mit EN oder PN diabetisch entgleisen. Hier besteht manchmal Unsicherheit, wie sich für dieses Klientel eine Insulintherapie gestalten kann. Weder in den Leitlinien für EN und PN in Zusammenhang mit Diabetes (DM), noch in der DGEM-Leitlinie (2014) für die klinische Ernährung wurden konkrete Therapieansätze zum Thema konzipiert. Eine S3-Leitlinie ist in Arbeit. Interessierte Therapeuten finden in diesem Artikel eine Zusammenfassung bis dato existierender Literatur und Expertenmeinungen.

Bei mangelernährten Patienten, bei Passageproblemen und bei Menschen, die – wenn auch nur passager – eine Nahrungskarenz durchstehen müssen, ist der Einsatz einer EN/PN notwendig [9]. Eine mäßige bis schwere Mangelernährung findet sich bei > 26 % der Klinikpatienten [1] [9]. Den Kliniken entstehen durch mangelernährte Patienten relevante Kosten durch häufigere Wiedereinweisung, durch höhere Komplikationsraten (vermehrte Infektionen) und durch die nachfolgend verlängerte Liegezeit (10,57 vs. 15,07 Tage) [1] [9]. Die Komplikationsrate dürfte ebenso auf mangelernährte Pflegepatienten in anderen Settings zutreffen.

Folgende Ereignisse können zu einer behandlungsbedürftigen Hyperglykämie unter EN/PN führen:

  • Postoperative Hyperglykämie mit vermehrten post- und perioperativen Infektionen mit erheblicher nachfolgender Resistenz (bis zu 20 Tagen) [3] [7]

  • Orale Antidiabetika können (passager) nicht genommen werden

  • Kritischer Zustand (Fieber, Infekt)

  • intensivpflichtige Patienten, u. a. nach Herzinfarkt, Pneumonie

Oft handelt sich bei der Hyperglykämie um einen passageren Zustand des Patienten, wo man der Meinung sein könnte, die aufgetretene Hyperglykämie sei nicht relevant. In Deutschland existieren für das klinische Setting (und für Pflegepatienten in einer Einrichtung oder zu Hause) keine speziellen Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft, sie lehnt sich an die Empfehlungen der Amerikanischen Diabetes Gesellschaft an, welche ein (maximal) hochnormales Blutzuckerniveau von 150 mg/dl für kritisch kranke Patienten empfiehlt [2]. Mehrere Publikationen haben die Evidenz geliefert, dass akut auftretende Hyperglykämien vor Allem über den Impact auf das Immunsystem zu erhöhter Mortalität, zu einem Anstieg der Infektionen und Komplikationen und damit nachfolgend zu einer verlängerten Liegezeit im klinischen Setting führen [3] [4] [5] [6]. Unter dem Aspekt der qualitätsgesicherten Behandlung und der Evidenz sollte daher den Empfehlungen für eine möglichst normnahe Blutglukose bei den oben genannten Patienten Folge geleistet werden.

 
  • Literatur

  • 1 Cepton Strategies (Hrsg): Mangelernährung in Deutschland (2007)
  • 2 ADA (2012): Standards of Medical Care in Diabetes – 2012
  • 3 Murad et al. (2012)
  • 4 Clement et al. (2004)
  • 5 Furnary & Wu (2006)
  • 6 Philis-Tsimikas et al. (2015)
  • 7 Dreyer (2011)
  • 8 DCCT 1993
  • 9 Ärzte Zeitung, 22.07.2016