Z Gastroenterol 2016; 54(09): 1098-1099
DOI: 10.1055/s-0042-114788
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Der besondere Fall – Listerieninfektion unter Immunsuppression

Gero Moog
,
Serap Alp-Bastian
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Publication Date:
13 September 2016 (online)

Wir berichten über einen älteren Patienten mit vorbekannter C. ulcerosa, bei dem unter einer immunsuppressiven Therapie mit Infliximab (Remicade) eine Listerieninfektion mit dem klinischen Bild einer Enzephalitis aufgetreten ist. Der Fall zeigt exemplarisch die Risiken einer immunsuppressiven Therapie insbesondere bei älteren Patienten und unterstreicht die Notwendigkeit bei diesen Patienten eine intensivere Beratung auch bezüglich Nahrungsmittel assoziierter Infektionen durchzuführen.

Der 71 Jahre alte Patient (68 kg, 174 cm) wurde im Juli 2014 in unserer Klinik unter dem Bild einer akuten schweren Colitis aufgenommen. Er litt seit etwa zehn Jahren an der Erkrankung, die als Pancolitis beschrieben wurde, und war über Jahre stabil auf ein orales Mesalazinpräparat eingestellt. Eine Azathioprin Medikation war anamnestisch erfolgt, dann aber aus letztlich unklaren Gründen wieder abgebrochen worden. Der Patient berichtete über bis zu zwölf blutig schleimige Stuhlabgänge in den letzten drei Monaten, die auch nachts aufträten. Der allgemeine internistische Untersuchungsbefund war unauffällig. Das Abdomen ist weich, die Darmgeräusche lebhaft. Es bestanden keine Hinweise auf eine extraintestinale Manifestation.

Das Aufnahmelabor zeigte eine geringe mikrozytäre Anämie mit einem Hb von 12.6 g / dl, Thrombozyten 426 000 sowie Zeichen einer systemischen Entzündungsreaktion mit einem CRP von 52,4 mg / dl (Normwert < 5 mg / dl). Die übrigen Laborwerte waren bis auf eine deutliche Hypokaliämie mit 2,85 mmol / l unauffällig. Der Patient wurde zunächst parenteral mit Prednisolon (1 mg / kg / die) behandelt. Gleichzeitig wurde die orale Ernährung auf leichte Kost reduziert und der Patient parenteral mit 2000 kcal / die versorgt.

Unter der systemischen Cortisontherapie verbesserte sich die Symptomatik nicht wesentlich. Weiterhin bestanden bis zu zehn blutige Stühle, sonografisch zeigte sich eine Darmwandverdickung im Bereich des linken Kolons. Kein Nachweis freier Flüssigkeit, nebenbefundlich vorbekannte zystische Veränderungen beider Nieren und auch im rechten Leberlappen. Eine durchgeführte Ileokoloskopie zeigte das Bild einer floriden Pancolitis mit Ulcerationen und spontanen Blutungen bis in das Coecum. Vor allem in dem linken Kolon zeigten sich auch zahlreiche Pseudopolypen. Histologisch wurde die schwere Verlaufsform einer Pancolitis ulcerosa bestätigt.

Der Patient wurde intravenös mit Ciclosporin behandelt und anschließend bei gutem klinischen und laborchemischen Ansprechen auf Tacrolimus (2 × 5 mg / die – Talspiegel 10 bis 15 ug / l) oral eingestellt. Unter der Medikation konnte die Prednisolon-Therapie reduziert werden, der Patient wurde mit einer Steroiddosis von 20 mg / die entlassen. Noch während des stationären Aufenthaltes wurde auch die Azathioprin-Therapie mit 2 mg / kg eingeleitet, die entsprechenden Voruntersuchungen unter anderem auf das Vorliegen einer latenten TBC wurden durchgeführt und ergaben keinen Hinweis auf eine bestehende Infektion.

Der Patient und auch seine Ehefrau erhielten eine Information über das Risiko opportunistischer Infektionen und über den Umgang mit Impfungen und prophylaktischen Maßnahmen. Laborchemisch war das zwischenzeitlich bis auf einen Wert von 202 mg / dl angestiegene CRP schnell rückläufig und bei Entlassung im Normbereich (< 5 mg / dl).

Anfang August wurde der Patient dann in gutem Allgemeinzustand und symptomfrei entlassen, die Entlassungsmedikation bestand aus Azathioprin, Prograf, Prednisolon 15 mg / die und Ideos (Vitamin D und Calcium). In der ambulanten fachärztlichen Weiterbetreuung versuchten wir, das Decortin weiter zu reduzieren. Leider gelang dieses nicht, der Patient beklagte wieder vermehrte Diarrhoen und auch Blut-Beimengungen im Stuhl und zeigte Anfang September erstmalig auch eine extraintestinale Manifestation im Sinne einer Uveitis des linken Auges.

Da Tacrolimus scheinbar immunsuppressiv nicht ausreichend wirksam war, besprachen wir in unserem CED Board die Situation und beschlossen die Behandlung auf Infliximab umzustellen bei Beibehaltung der erst seit acht Wochen bestehenden Azathioprin Medikation. Der Patient erhielt entsprechend dem Dosierungsschema am 9.10.14 und am 24.10. eine Infusion mit Infliximab in einer Dosierung von 5 mg / kg. Die Entscheidung wurde auch durch die opthalmologische Mitbehandlung gestützt, hier wurden die Augenveränderungen differentialdiagnostisch fraglich als Reaktion auf Prograf gesehen.

Am 26.10. wird der Patient mit einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustands erneut stationär aufgenommen. Der Ehefrau war bereits am Vortag eine Verwirrtheit aufgefallen, bei der Aufnahme zeigte sich ein beginnend somnolenter Patient. In den letzten beiden Tagen seien auch wieder vermehrt durchfällige Stühle aufgetreten, die nach der ersten Infusion mit Infliximab sistierten.

Innerhalb der ersten Stunden nach der stationären Aufnahme kam es zweimal zu einem generalisierten Krampfanfall, sodass eine Schutzintubation durchgeführt wurde. Bei deutlich erhöhten systemischen Entzündungszeichen (CRP 118 mg / l, Procalcitonin 0,35 u / l, Leukozyten 9,3 u / ml) wurde zunächst eine antibiotische Therapie mit einem Breitbandantibiotikum (Meropenem 2 g) eingeleitet. Die noch am Aufnahmetag durchgeführt CCT-Untersuchung zeigte keine wesentlichen Auffälligkeiten, eine ebenfalls am Aufnahmetag abgenommene Blutkultur ergab einen Listeriennachweis. Die kalkulierte antibiotische Therapie konnte so beibehalten werden, ergänzend wurde eine Prophylaxe mit Cotrimoxazol eingeleitet.

Unter diesen Maßnahmen kam es zu einer allmählichen Erholung des Patienten, auch die Diarrhoen besserten sich unter der alleinigen Steoidtherapie (Azathioprin und Infliximab wurden abgesetzt). Der Patient konnte am 11.12. in eine Rehablitationsmaßnahme entlassen werden, neurologisch war noch eine leichte Arm-Hebeschwäche rechts nachzuweisen. Bei Entlassung hatte der Patient noch Prednisolon mit 15 mg / die und auch Mesalazin oral mit 4,5 g / die.

Diskussion

Nach wie vor ist die Behandlung der schwer verlaufenden Schübe einer Colitis ulcerosa ein therapeutisches Problem. In der noch aktuelle Leitlinie der DGVS wird nach Erfolglosigkeit der intravenösen Steroidtherapie Ciclosporin / Infliximab und auch Tacrolimus genannt [1, 3]. Selbstverständlich muss bei diesen Patienten auch immer die chirurgische Option diskutiert werden [1].

Insbesondere bei älteren Patienten sind immunsuppressiv wirkende Medikamente mit einem deutlich erhöhten Risiko behaftet [2]. Dies gilt allerdings auch für das bei diesen Patienten häufig unkritisch angewendete Cortison. So scheinen Patienten mit einer CED, die älter als 50 Jahre sind, ein dreifach höheres Risiko zu haben, an einer opportunistischen Infektion zu erkranken, als Patienten, die jünger als 25 Jahre alt sind. Im Zusammenhang mit der Gabe von Immunsuppressiva wurden gehäuft sowohl bakterielle, virale und parasitäre Infektionen als auch Mykosen beschrieben [3].

Wir hatten uns bei unserem Patienten zunächst für eine Therapie mit Tacrolimus entschieden, um im Fall einer notwendigen Umstellung nicht durch die längere Halbwertszeit des Infliximab keine weitere therapeutische Option mehr zu haben [5]. Ob die Umstellung auf Infliximab [6] die richtige Entscheidung war, ist retrospektiv zu hinterfragen, Vermutlich wäre hier der Zeitpunkt für eine chirurgische Intervention gewesen.

Die bei dem Patienten nachgewiesene Listerieninfektion ist vermutlich durch die Ingestion von rohem Rinderhackfleisch zustande gekommen, ein Genuss auf den der Patient trotz der durchgeführten Aufklärung laut Aussage seiner Frau nicht verzichten wollte. Es ist bekannt, dass das Risiko einer granulomatösen Infektion (z. B. Tuberkulose, Listeriose) bei einer Therapie mit anti-TNF-α-Antikörpern erhöht ist. Neben der immunsuppressiven Therapie mit Infliximab hat sicher aber auch die Kombinationstherapie mit Azathioprin und einer weiter bestehenden Steroiddosis sowie das Alter des Patienten das erhöhte Infektionsrisiko bedingt. Insgesamt sind in der Literatur mehrere Fälle einer Listerien induzierten Meningitis während der Behandlung mit Infliximab beschrieben. In allen beschriebenen Fällen wurden die Patienten in der Kombination Infliximab, Azathioprin und auch einem Steroid behandelt [4].

Listeria monocytogenes ist das einzige humanpathogene Bakterium aus der Gruppe der Listerien. Es handelt sich um ein in erster Linie aerob aber auch fakultativ anaerob lebendes grampositives Bakterium ohne Sporenbildung. Der hauptsächliche Infektionsweg ist die orale Ingestion mit Penetration der intestinalen Mucosa und nachfolgender systemischer Infektion. Die Immunität gegen Listerien beruht in erster Linie auf einer T-Zell Aktivierung der Makrophagen.

Listerieninfektionen können durch den Genuss kontaminierten Gemüses, durch das Trinken verunreinigten Wassers und durch den Kontakt mit Tieren bzw. tierischen Produkten zustande kommen. Lebensmittel tierischer Herkunft sind zumeist sekundär kontaminiert, werden erst bei der Verarbeitung mit Listerien beimpft. Besonders gefährdet sind Rohmilchprodukte, aber auch rohes Fleisch. Bei immunsupprimierten Personen kommt es vor allem zu einer Meningoenzephalitis, wie auch bei unserem Patienten.

Obwohl unser Patient eine Aufklärung zur Infektionsgefährdung erhalten hat, scheint dieses jedoch bei dem deutlich erhöhten Risiko, dem vor allem ältere Patienten bei einer kombinierten Immunsuppression ausgesetzt sind, nicht ausreichend zu sein. Ähnlich wie in der Transplantationsmedizin müssen auch wir für diese Patienten medial assistierte Aufklärungen zum Thema Infektionsschutz, Umgang mit Nahrung, Haustieren und Verhalten auf Reisen implementieren. Dies erscheint vor allem vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und dem zunehmenden Einsatz potenter immunsuppressiv wirkender Medikamente notwendig.

Die Literatur-Angaben finden Sie unter www.bng-gastro.de.


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