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DOI: 10.1055/s-0042-117407
Frankfurter Dermatologentagung – 2. November 2016
Annual Frankfurt Dermatology Meeting – November 2nd, 2016Publication History
Publication Date:
03 November 2016 (online)

Porphyria variegata
I. Kaluzki
Anamnese: Der 25-jährige Patient berichtete über seit Geburt bestehende, rezidivierende Blasenbildung und Hautablösung insbesondere an den Handrücken, Armen, Beinen und Füßen sowie in milderer Ausprägung im Gesicht. Betont im Sommer bestünde eine erhöhte Verletzbarkeit der Haut. Eine Urinverfärbung habe der Patient nicht beobachtet. In der Kindheit sei eine Porphyrie ausgeschlossen und die Diagnose einer Hydroa vacciniforme gestellt worden. In der Familie leide niemand an ähnlichen Hautveränderungen oder habe je Manifestationen eines akuten Porphyrie-Syndroms entwickelt.
Befund: Bei Vorstellung zeigte sich am linken Handrücken eine einzelne, 0,5 cm messende Blase ([Abb. 1]). Daneben fanden sich flache, bis 1 cm messende Erosionen und flache Ulzerationen an beiden Handrücken und dem rechten Ellenbogen sowie multiple, homogen hellbraune Hyperpigmentierungen und kleine Narben an beiden Unterarmen. Außerdem war eine Hypertrichose an den Jochbogen auffällig.


Diagnostik: Aufgrund der rezidivierenden Hautveränderungen bis ins Erwachsenenalter führten wir eine erneute Porphyrie-Diagnostik durch. Es fanden sich normwertige Transaminasen und Gesamt-Porphyrine in Erythrozyten, Plasma sowie Vollblut. Die Gesamt-Porphyrine im Urin und den Fäzes allerdings zeigten sich erhöht. In der weiteren Abklärung durch ein Porphyrie-Speziallabor fand sich mittels Porphyrin-Differenzierung Koproporphyrin als Hauptmetabolit der renalen Porphyrinexkretion. Die fäkale Porphyrinausscheidung wies eine Dominanz von Protoporphyrin bei gleichzeitiger Koproporphyrinerhöhung auf. Weiterhin zeigte sich ein positiver Plasmafluoreszenz-Scan mit einem Emissionsmaximum bei 626 nm. Eine akute intermittierende Porphyrie konnte bei normaler Aktivität der Porphobilinogen-Desaminase im Blut ausgeschlossen werden. Für die erythropoetischen Porphyrien lagen ebenso keine Hinweise vor. Diese Befundkonstellation sprach schließlich für eine hereditäre Protoporphyrinogen-Oxidase-Defizienz im Sinne einer Porphyria variegata.
Therapie und Verlauf: Vor der Evaluation durch ein Porphyrie-Speziallabor zeigte ein schließlich beendeter Therapieversuch mit Chloroquin zweimal wöchentlich keine klinische Befundbesserung. Gestützt durch die Porphyrie-Spezialdiagnostik befand sich die Erkrankung in einer kompensierten Latenzphase ohne zwingende Interventionsnotwendigkeit. Grundsätzlich prophylaktische Empfehlungen beinhalteten konsequenten Lichtschutz und strikte Alkoholkarenz. Der Patient bestätigte den konstant wiederkehrenden zeitlichen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Hautsymptomen und die Erscheinungsfreiheit in Karenzphasen.
Kommentar: Die Porphyria variegata ist eine autosomal-dominant vererbbare Stoffwechselstörung mit niedriger Penetranz. Ein latentes Vorkommen ist häufig. Ursächlich ist ein Defekt der Protoporphyrinogen-Oxidase, des vorletzten Enzyms in der Häm-Biosynthese, wodurch es zur Anhäufung der Vorläufer-Metaboliten und infolge dieser zu ihrer gesteigerten Ausscheidung kommt. Bemerkenswert im Falle der Porphyria variegata ist die gesteigerte fäkale Ausscheidung von Protoporphyrin selbst, dem eigentlichen Produkt der Protoporphyrinogen-Oxidase. In Europa beträgt die Prävalenz 1 – 3/100 000. Die höchste Prävalenz von 3/1000 besteht unter Kaukasiern in Südafrika. Dies geht auf einen Gründereffekt eines emigrierten niederländischen Paares zurück. Betroffene Südafrikaner tragen eine identische Mutation im Protoporphyrinogen-Oxidase-Gen, während weltweit mehrere verschiedene beschrieben sind. Wie bei allen vier akuten hepatischen Porphyrien kann sich eine Attacke klinisch ähnlich der akuten intermittierenden Porphyrie mit Abdominalkoliken, neurologisch-psychiatrischen und kardiovaskulären Symptomen manifestieren. Hierfür ursächlich ist stets ein exogen provozierter Exzess der Porphyrin-Vorläufer-δ-Aminolävulinsäure und Porphobilinogen. Daneben können Hautsymptome (Blasen, Erosionen, Pigmentanomalien, Hypertrichose) an sonnenexponierten Arealen entsprechend der Porphyria cutanea tarda sowohl während der Akut- als auch während der Latenzphase auftreten. Deshalb auch die Namensgebung variegata = gemischt. Manifestationsbegünstigend wirken zudem ein Kalorienmangel und auch viele Arzneimittel besitzen eine porphyrinogene Potenz, darunter Barbiturate, Sulfonamide, Griseofulvin, Chlorpromazin, Östrogene und auch Chloroquin.
Literatur
1 Sandhu K, Kumar B. Variegate Porphyria. J Dermatol 2004; 31: 431 – 433
2 Sassa S. Modern diagnosis and management of porphyrias. Br J Haematol 2006; 135: 281 – 292