Der Klinikarzt 2016; 45(10): 435
DOI: 10.1055/s-0042-118093
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Führt der Transparenzkodex weiter und wann beginnt die Korruption?

Achim Weizel
Mannheim
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Publication Date:
18 October 2016 (online)

Zwei Entwicklungen der letzten Monate sind möglicherweise von großer Bedeutung zumindest für diejenigen Ärzte, die in irgendeiner Form in finanziellen Beziehungen zur Pharmaindustrie stehen.

Der Verein forschender Arzneimittelhersteller (VfA) setzte erstmals im Juni 2016 den Transparenzkodex der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) um und am 4. Juni 2016 trat das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen in Kraft.

Nach Ansicht vieler Kritiker des Gesundheitswesens bestehen oft zu enge Beziehungen zwischen Ärzten und Pharmaindustrie, die, nach Auffassung der Kritiker, die Neutralität der Ärzte in Bezug auf die Verordnung von Medikamenten kompromittieren könnten.

Durch den Transparenzkodex besteht nun die Möglichkeit teilweise Einblick in das Fördersystem der Industrie zu gewinnen, da erstmals Zahlen veröffentlicht wurden. Danach betrug im Jahr 2015 die Gesamtsumme der Leistungen von 54 FSA-Unternehmen an Ärzte, Fachkreisangehörige sowie medizinische Organisationen und Einrichtungen 575 Mio. Euro. Davon wurden 366 Mio. Euro für die Durchführung von klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen ausgegeben, 119 Mio. Euro entfielen auf Vortragshonorare und Fortbildungen. Abgesehen von den Anwendungsbeobachtungen, über deren Sinnhaftigkeit und Wert Uneinigkeit herrscht, besteht an der Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Ärzten in Klinik und Praxis mit der Industrie im Rahmen von wissenschaftlich sauberen Studien kein Zweifel; und so lange Kliniken und Standesorganisationen nicht in der Lage sind, neue medizinische Entwicklungen durch hochqualifizierte Spezialisten den Ärzten zu vermitteln, wird nach wie vor ein Bedarf an pharmaunterstützten Fortbildungsveranstaltungen bestehen. Ärzte, die an Forschungsprojekten oder als Referenten an Fortbildungen teilnehmen, sollten selbstverständlich ein ihrer Qualifikation und Erfahrung entsprechendes Honorar erhalten. Die Pharmafirmen sind gehalten, diese Daten auszuweisen, allerdings kann der Arzt im Rahmen des Datenschutzes entscheiden, ob seine Daten veröffentlicht werden. Es ist erstaunlich, um es vorsichtig auszudrücken, dass nicht wenige Kollegen im ersten Jahr dieser Veröffentlichung zugestimmt haben und sich dann unvermutet auf Euro und Cent in der Aufstellung von Correctiv „Spiegel„ wiedergefunden haben.

Neben dem möglichen Imageschaden drohen Gefahren bei Entgegennahem von Honoraren durch die Industrie. Durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen wurden die Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen konkretisiert. Voraussetzung für die Tatbestände sind: Entgegennahme von Geld, Geschenken oder ein Vertrag im Zusammenhang mit der Berufsausübung, wenn dafür Arznei-/Hilfsmittel oder Medizinprodukte aus nicht-medizinischen Motiven bevorzugt oder Patienten oder Untersuchungsmaterial anderen Ärzten zugewiesen werden. Eine Bestrafung kann nur erfolgen, wenn alle Voraussetzungen gegeben sind. Die bloße Annahme eines Vorteils genügt daher nicht, um eine Strafbarkeit zu begründen. Neben der Entgegennahme von Geld- und Sachgeschenken gehören auch Urlaubsreisen, Einladungen zu Kongressen sowie die Übernahme der Kosten für eine Fortbildungsveranstaltung zu den möglichen Vorteilen. Bei Sachgeschenken wird ein Wertgrenze von 50 € diskutiert. Zwei Kriterien können zu Problemen führen. Dazu gehört einmal die verstärkte Verordnung eines Arzneimittels im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit einer Firma. Wenn hier kein medizinisch nachvollziehbarer Grund beweisbar ist, kann der Arzt sehr schnell in Beweisnot geraten. Ein zweiter Punkt ist die Höhe des Honorars. Hier ist darauf zu achten, dass die Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung steht.

Sollte ein Fehlverhalten nachgewiesen werden, drohen Geldstrafen oder Freiheitstrafen bis zu 3 Jahren.

Fazit: Beziehungen zwischen Ärzten und Pharmaindustrie sind vom Prinzip her möglich und in vielen Fällen wissenschaftlich nötig. Die Voraussetzungen sind vonseiten der Industrie offener (Transparenz), vonseiten der Ärzte schwieriger geworden (Korruption).

Im Gegensatz zu früher sind die Kriterien für die Annahme von Zuwendungen (z. B. Kongressbesuche) deutlich strenger geworden. Einige Firmen haben bereits beschlossen, keine Ärzte mehr auf nationale und internationale Kongresse einzuladen. Jeglicher Verdacht, dass durch Zuwendungen die Verordnung von Medikamenten beeinflusst wird, muss unbedingt vermieden werden. Jeder Arzt, der sich auf diesem Gebiet bewegt, muss auch entscheiden, ob er seine Daten der Öffentlichkeit preisgeben will. In diesem Jahr haben 29 % der Ärzte diesen Weg gewählt.