Dialyse aktuell 2016; 20(10): 488
DOI: 10.1055/s-0042-120868
Journal-Club Pflege
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Patienten mit schwerer atopischer Dermatitis

Rolle von Panimmunglobulin und IgE-selektiver extrakorporaler Immunadsorption
Volker J.J. Schettler
1   Göttingen
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Publication History

Publication Date:
09 January 2017 (online)

Quelle: Reich K, Deinzer J, Fiege AK et al. Panimmunoglobulin and IgE-selective extracorporeal immunoadsorption in patients with severe atopic dermatitis. J Allergy Clin Immunol 2016; 137: 1882-1884

Thema: Atopische Dermatitis (AD) ist eine chronische, z. T. stark juckende ekzematös-entzündliche Hauterkrankung, bei der neben einer Störung des Hautschutzes (Hautbarriere) insbesondere immunologische Anomalien in Form von erhöhten Aktivitäten dendritischer Zellen, T-Zellen und eosinophile Granulozyten vorliegen, die zur Freisetzung von Zytokinen und Chemokinen führen. Es gibt Hinweise, dass der Spiegel von Immunglobulin E (IgE) bei diesen Patienten außerordentlich erhöht sein kann und dass durch das Absenken zirkulierender IgE die Krankheitsaktivität vermindert wird. Bisher haben Anti-IgE-Antikörper-Therapien wie mit Omalizumab nur zu ungenügenden Therapieerfolgen geführt. Als weitere Behandungsalternative dazu wurde eine Pilotstudie bei Patienten mit AD durchgeführt, bei denen mithilfe von extrakorporalen Immunadsorptionsverfahren (IA) IgE entfernt wurde.

Projekt: Erwachsene Patienten (> 18 Jahre) mit AD wurden dabei mit 2 verschiedenen IA behandelt: unselektives IA (PAN-IA) (n = 24), bei der alle Immunglobulinklassen vermindert werden können, und ein selektives IgE-IA (n = 26), das spezifisch IgE an den Adsorbersäulen bindet. Jeder Patient wurde mit insgesamt 10 IA-Behandlungen über einen 2-monatigen Zeitraum nach einem bestimmten Protokoll behandelt. Dies beinhaltete u. a. 3 Behandlungszyklen innerhalb von 4 aufeinanderfolgenden Tagen in der ersten Behandlungswoche, 3 Behandlungstage in der vierten Woche und erneut 3 Behandlungstage in der achten Woche. Die Patienten wurden zu jedem Behandlungszyklus stationär aufgenommen und vor der IA (Visite 1), zwischen dem zweiten und dritten Behandlungszyklus (Visite 2), nach etwa einem Monat (Visite 3) und nach etwa 6 Monaten (Visite 4) nach der IA untersucht. Zur Erfassung der Krankheitsaktivität wurde der „Eczema Area and Severity Index (EASI)“, der „Dermatology Life Quality Index (DLQI)“ und die IgE-Konzentration vor, während und nach den IA-Therapien bestimmt.

Ergebnisse: Der Hauptbehandlungseffekt, der auf eine Reduktion der EASI und DLQI beruht, wurde zwischen Visite 1 und 2 bestimmt, die dann bis zur Visite 4 stabil blieb. In beiden IA-Verfahren konnte am Ende der Behandlungszyklen eine Reduktion von nahezu 50 % von dem Ausgangs-EASI, beim DLQI um 30 % vom Ausgangs-DLQI gefunden werden. Diese Verbesserung der Klinik korrespondierte u. a. auch mit einer Reduktion der IgE-Konzentration. Auffällig war aber auch, dass offensichtlich Patienten dann von den IA-Therapieverfahren (75 %) profitierten, wenn die Bedingungen wie EASI 17 oder größer und IgE-Konzentration niedriger als 6700 kU/l vorlagen. Bei der Patientengruppe, die nur mit IgE-IA behandelt wurden, traten 2 Nebenwirkungen (NW) auf, bei denen es keine Verbindung zu dieser IA-Therapie gab. Bei mit PAN-IA behandelten Patienten traten 8 NW bei 7 Patienten auf, wovon alle mit dem verwendeten IA-Verfahren in Verbindung gebracht werden konnten. Es traten 2 milde Infektionen mit Herpes labialis und 3 schwere Infektionen (Herpes keratitis, bakterielle Konjunktivitis) auf, die systemisch behandelt werden mussten.

Fazit: Durch beide extrakorporale IA mit IgE-Entfernung kann die Krankheitsaktivität der atopischen Dermatitis reduziert und dadurch die Klinik für Patienten mit AD verbessert werden. Das selektive IgE-IA-Verfahren scheint im Hinblick auf das Hautinfektionsrisiko besser verträglich als das PAN-IA zu sein.

Schlüsselwörter: atopische Dermatitis - Panimmunglobulin - IgE-selektive extrakorporale Immunadsorption

Kommentar

Die Pilotstudie zeigt in Hinblick auf die Verbesserung des Krankheitsbildes der atopischen Dermatitis (AD) beeindruckende Ergebnisse. Obwohl der Krankheitsprozess der AD noch nicht vollständig verstanden ist, scheint die Entfernung des Immunglobulins E (IgE) für die Verminderung der Krankheitsaktivität und damit die Verbesserung der Klinik ein entscheidender Schritt zu sein.

Dennoch ist kritisch anzumerken, dass in dieser Pilotstudie auch Patienten mit AD (n = 12) eingeschlossen wurden, die offensichtlich zusätzlich systemisch vorbehandelt wurden. Nach dem IA-Behandlungszyklus konnte bei 6 von 12 Patienten (Visite 3) die systemische Therapie eingestellt werden und zusätzlich bei 2 Patienten (Visite 3) die systemische Therapiedosis reduziert werden. Auch wenn es eine Pilotstudie ist, wird durch die Vermischung von unterschiedlich vorbehandelten AD-Patienten (keine oder mit systemischer Vorbehandlung) die Aussagestärke der Gesamtstudie vermindert. Dies sollte in einer Folgestudie berücksichtigt werden, zumal in der Publikation unklar blieb, in welchem IA-Therapie-Arm die Patienten behandelt wurden.

Ein weiteres, sehr wichtiges Ergebnis dieser Pilotstudie ist, dass - angesichts der beobachteten Infektneigung bei AD-Patienten unter PAN-IA-Therapie - diese unter IgE-IA deutlich geringer auftrat. Angesichts dieser positiven Daten sollten weitere Studien mit selektiven IgE-Adsorptionssäulen bei Patienten mit AD durchgeführt werden.

Offen lässt diese Studie aber auch, ob es nicht notwendig ist, AD-Patienten vor, unter oder nach den IA-Behandlungszyklen begleitend mit einer immunmodulierenden Therapie zusätzlich zu behandeln, z. B. mit Omalizumab (Anti-IgE-Antikörper) oder einem neuen IL-4-Rezeptor-α-Ketten-Antagonisten.

Sicherlich sind noch viele Studien auf dem Gebiet der extrakorporalen IA bei AD durchzuführen, um eine spezifische Therapieform für die betroffenen Patienten zu finden. Die ersten Daten aus dieser Pilotstudie sind aber vielversprechend.

PD Dr. Volker J.J. Schettler, Göttingen