Dialyse aktuell 2016; 20(10): 516-517
DOI: 10.1055/s-0042-121340
Forum der Industrie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Therapeutische Apherese

Update zum Einsatz bei Lipidstörungen, Nierentransplantation und in der Neurologie
Ralph Hausmann
1   Frankfurt am Main
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Publication Date:
30 December 2016 (online)

Die therapeutische Apherese hat sich bei zahlreichen Erkrankungen als leitliniengerechte Therapieoption etabliert. Während der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie gaben Experten einen Überblick über den neuesten Erkenntnisstand zur Lipoproteinapherese, zur extrakorporalen Eliminierung von Antikörpern bei der Nierentransplantation sowie zum Apherese-Einsatz bei ausgewählten neurologischen Indikationen.

Fettstoffwechselstörungen

Die Lipoproteinapherese (LA) wird mittlerweile als Routinetherapie bei verschiedenen Fettstoffwechselstörungen eingesetzt. Zu den zugelassenen Indikationen gehören die familiäre Hypercholesterinämie mit arteriosklerotischer Gefäßerkrankung sowie die homozygote Fettstoffwechselstörung vor dem Auftreten kardiovaskulärer Komplikationen. Eine Indikation für die LDL-Apherese ist erst dann gegeben, wenn bei schwerer Hypercholesterinämie mit einer über 12 Monate dokumentierten maximalen diätetischen und medikamentösen Therapie das LDL-Cholesterin nicht ausreichend gesenkt werden kann, sagte Dr. Ralf Spitthöver aus dem Dialyse und Lipidzentrum Nordrhein in Essen ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Mit der regelmäßigen LDL-Apherese kann bei Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie sowie bei heterozygoten Hochrisikopatienten der LDL-Spiegel in den empfohlenen Bereich gesenkt werden.

Wenn eine progrediente Gefäßerkrankung vorliegt, wird in Deutschland auch die Hyperlipoproteinämie(a) als Indikation für die LA akzeptiert. Denn Lp(a) gilt als unabhängiger Risikofaktor, für den ein eindeutiger Zusammenhang zwischen erhöhten Serumkonzentrationen und kardiovaskulären Ereignissen gezeigt werden konnte [1]. Wie eine prospektive Beobachtungsstudie [2] zur Effektivität der LA nachwies, konnte bei 170 Patienten mit Hyperlipoproteinämie(a) sowie koronarer Herzkrankheit (KHK) nach 2 Jahren LA plus maximal tolerierter lipidsenkender Medikation eine Risikoreduktion kardiovaskulärer Ereignisse um 78 % und der Ereignisse in allen Gefäßregionen um 76 % erreicht werden.

Nach Spitthövers Erfahrungen mit 15 000 Behandlungen in der Lipidambulanz in Essen ist die LA ein nebenwirkungsarmes Therapieverfahren. Bei nur 17 Behandlungen musste die Therapie wegen Kreislaufproblemen abgebrochen werden. Auf der anderen Seite konnte bei den Patienten nach ca. 15-20 Behandlungen eine deutliche klinische Verbesserung beobachtet werden.

Eine mögliche Alternative zur LA stellen die kürzlich eingeführten PCSK9-Inhibitoren (Proprotein Konvertase Subtilisin/Kexin Typ 9) dar. Wie Spitthöver zum Stellenwert der Substanzen betonte, sollten zur endgültigen Beurteilung dieser Therapieoption derzeit laufende Studien zu kardiovaskulären Endpunkten und Sicherheit abgewartet werden. Eine Therapie mit PCSK9-Inhibitoren zusätzlich zur Lipoproteinapherese könne sinnvoll sein. Außerdem besteht für den Einsatz zur Behandlung von Lp(a) keine Zulassung. Damit bleibt die LA bis zum Gegenbeweis eine wichtige Therapie bei der Behandlung von Fettstoffwechselstörungen.


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Immunapherese bei Nierentransplantation

Eine weitere Indikation für die therapeutische Apherese ist besonders vor dem Hintergrund des Mangels an Spenderorganen die Nierentransplantation (NTx) bei AB0-Inkompatibilität. Denn in Deutschland warten etwa 8000 Dialysepatienten auf eine Niere, die durchschnittliche Wartezeit beträgt 6-7 Jahre [3]. Um die Situation zu entspannen, ist die Lebendspende über immunologische Barrieren hinweg ein Ausweg, betonte Prof. Vedat Schwenger, Stuttgart.

Ob der Einsatz der extrakorporalen Immunadsorption (IA) bei einer Lebendspende zu einer erfolgreichen Transplantation führt, wurde an 9 Patienten mit positiver Kreuzprobe und an einem Studienteilnehmer mit negativer Kreuzprobe, aber spenderspezifischen Antikörpern (DSA) überprüft [4]. Der Vorteil der Desensibilisierung mit der IA-Methode mit parallel geschalteten Adsorbern besteht darin, dass große Plasmavolumina von Antikörpern selektiv gereinigt werden können.

In der Studie konnten nach median 10 IA-Behandlungen alle Patienten desensibilisiert und transplantiert werden. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 19 Monaten wiesen 9 von 10 Studienteilnehmern ein funktionierendes Transplantat auf. Eine reversible, akute antikörpervermittelte Abstoßung wurde bei 3 Patienten diagnostiziert. Unter der IA kam es zu einer effektiven IgG1-, IgG2 - und IgG4-Elimination und einer etwas verringerten Absenkung von IgG3, IgM sowie IgA ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Abnahme der Immunglobulinwerte während der ersten Immunadsorption-Behandlung und während median 10 IA-Therapien vor der Nierentransplantation.
nach [4]

Eine weitere Indikation für die IA bei der Nierentransplantation stellt die antikörpervermittelte Abstoßung (AMR) dar. Die Effektivität des Verfahrens überprüfte eine randomisierte, offene Studie [5] an 10 Patienten mit schwerer C4d-positiver, akuter Transplantatdysfunktion. 5 Patienten wurden zusätzlich zur Standardtherapie mit IA behandelt; die anderen 5 erhielten allein die bei zellulärer Abstoßung eingesetzte Tacrolimus basierte Standardtherapie. Im Ergebnis sprachen alle Patienten in der IA-Gruppe auf die Therapie an. Wegen der hohen Rate an Transplantatverlust in der Kontrollgruppe wurde die Studie nach der ersten Interimsanalyse beendet.


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Rasche Antikörperelimination in der Neurologie

Nicht nur in der Transplantationsmedizin, sondern auch bei vielen anderen Autoimmunerkrankungen müssen Antikörper rasch eliminiert werden, betonte Prof. Marcus Brand, Münster. Prominentes Beispiel für eine neurologische Autoimmunerkrankung ist die Autoimmunenzephalitis, bei der sich 2 Formen unterscheiden lassen: Bei der paraneoplastischen Form werden Antikörper gegen intrazelluläre neuronale Antigene nachgewiesen. Sie treten meist zusammen mit einem Tumor auf und sprechen nur eingeschränkt auf die IA an. Bei der nicht paraneoplastischen Form dagegen bilden sich Antikörper gegen membranständige neuronale Antigene. Diese Antikörper treten oft auch unabhängig von einem Tumor auf und können mit therapeutischer Apherese entfernt werden.

Dass bei immunvermittelten Enzephalitiden die rasche Entfernung der Autoantikörper ein wirksames Therapieprinzip darstellt, zeigen Daten [6] von 31 Therapieverläufen. 67 % der Patienten mit Antikörpern gegen neuronale membranständige Antigene erfuhren eine signifikante Verbesserung in den mRS-Werten (modifizierte Ranking-Skala). Der mittlere mRS-Wert aller Patienten betrug vor der therapeutischen Apherese (Plasmaaustausch oder IA) 3,2 und danach 2,2. Alle mit IA behandelten Patienten besserten sich von einem mittleren mRS-Wert von 3,9 auf 1,9 nach der Therapie.

Weiterhin konnte die Effektivität der IA zur Eskalationstherapie bei der multiplen Sklerose (MS) nachgewiesen werden - so in einer retrospektiven Analyse [7] mit 24 Patienten, die vor der IA-Behandlung einen kortikosteroidrefraktären MS-Schub hatten bzw. wegen einer Schwangerschaft nicht mit den Steroiden behandelt worden waren. Bei 12 von 18 Patienten besserte sich die Schubsymptomatik, gemessen mit der EDSS (Expanded Disability Status Scale), um mindestens einen Punkt nach der IA-Behandlung. Bei 6 Patienten mit Optikusneuritis verbesserte sich das Sehvermögen um mindestens 10 %.

Als weiteres Beispiel für den Einsatz der IA in der Neurologie nannte Brand die Myasthenia Gravis (MG). Bei dieser Erkrankung ist die MG-Krise die schwerste lebensbedrohliche Komplikation, die besonders in den ersten 2 Jahren nach Krankheitsbeginn auftritt. In der akuten Krise kann die extrakorporale Beseitigung zirkulierenden Autoantikörper gegen den Nikotin-Azetylcholin-Rezeptor (AChRAb) eine effektive Therapieoption sein.

Dies zeigte eine prospektive, randomisierte Studie [8], in der die Effektivität der therapeutischen Apherese mit beiden Verfahren bewertet wurde. 19 Patienten mit MG-Krise wurden entweder mit Plasmaaustausch oder IA behandelt. Im Ergebnis konnte nach jeder Apherese-Sitzung eine deutliche Verringerung der AChRAb mit beiden Methoden gemessen werden. Plasmaaustausch sowie IA erwiesen sich bei den meisten Patienten als gleich effektiv bei der Besserung klinisch relevanter Symptome.

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.

Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium „Update Therapeutische Apherese - Die Rolle der Antikörper“ auf der 8. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, 12.09.2016, Berlin, veranstaltet von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.

Der Autor ist freier Journalist.


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