Z Orthop Unfall 2017; 155(02): 169-176
DOI: 10.1055/s-0042-122855
Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Patellaluxation bei Kindern und Jugendlichen – 136 Ereignisse bei 88 Patienten und Literaturübersicht

Article in several languages: English | deutsch
Sven Höhne
1   Department of Surgical and Conservative Pediatrics and Adolescent Medicine/Pediatric Surgery, Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, Halle
,
Kristina Gerlach
1   Department of Surgical and Conservative Pediatrics and Adolescent Medicine/Pediatric Surgery, Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, Halle
,
Lars Irlenbusch
2   Department of Orthopedics, Trauma and Reconstructive Surgery/Trauma and Rehabilitation Surgery, Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, Halle
,
Mathias Schulz
2   Department of Orthopedics, Trauma and Reconstructive Surgery/Trauma and Rehabilitation Surgery, Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, Halle
,
Christian Kunze
3   Department of Radiology/Diagnostic Radiology, Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, Halle
,
Rainer Finke
1   Department of Surgical and Conservative Pediatrics and Adolescent Medicine/Pediatric Surgery, Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, Halle
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Publication Date:
28 April 2017 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund Die Patellaluxation (PL) zählt zu den häufigsten Knieverletzungen bei Adoleszenten. Obwohl die Behandlung bei Adoleszenten überwiegend zu guten Ergebnissen führt, ist der Stellenwert anatomisch-funktionell prädisponierender Faktoren für eine individuelle Therapieplanung, insbesondere beim Rezidiv, bisher möglicherweise unterschätzt worden.

Patienten und Methode In vorliegender Arbeit wurden die Behandlungsverläufe von 88 Patienten mit 136 PL ausgewertet. Anhand der Befunde bildgebender Diagnostik wird der Stellenwert anatomischer Veränderungen als prädisponierende Faktoren analysiert. Die Behandlungsergebnisse werden anhand aktueller Empfehlungen aus der Literatur kritisch bewertet.

Ergebnisse Bei 88 Patienten (mittleres Alter 14 Jahre, 47 männlich, 41 weiblich) traten im Beobachtungszeitraum von 2000 bis 2015 109 PL auf, 27 weitere wurden von den Patienten anamnestisch berichtet. Etwa ein Drittel (35,2 %) der Patienten erlitt ein oder mehrere Rezidive. Fast die Hälfte (48,6 %) der PL traten bei sportlicher Betätigung, vor allem bei Ballsport, auf. Bei 9 % lag eine osteochondrale Begleitverletzung vor, bei 96 % eine Verletzung des MPFL. Röntgenologisch und MR-tomografisch fanden sich für den Sulcuswinkel, die Patella- und Trochleadysplasie und den Patellahochstand hochsignifikante Unterschiede zu einer Kontrollgruppe. Der TT-TG-Abstand wurde nachträglich bestimmt, hatte aber keinen Einfluss auf die Therapieentscheidung im Beobachtungszeitraum. Im Beobachtungszeitraum wurden von 109 PL 77 konservativ und 32 operativ behandelt. Die konservative Behandlung erfolgte als Teilimmobilisierung über 6 Wochen. Operativ (überwiegend arthroskopisch) wurde 27-mal eine Raffung des MPFL durchgeführt, davon 5 in Kombination mit z. B. Krogius oder Elmslie. Fünfmal erfolgte eine Rekonstruktion des MPFL mit autologem Sehnentransplantat. In 10 Fällen war die Versorgung einer osteochondralen oder Meniskusverletzung erforderlich. Rezidive traten nach konservativer Therapie in 41,7 %, nach operativer Therapie (ohne MPFL-P) in 29,6 % der Fälle auf. Nach MPFL-P gab es kein Rezidiv. 54 Patienten (61 %) konnten nach durchschnittlich 16 Monaten nachuntersucht werden. Von diesen hatten 14 (25,9 %) ein Rezidiv. Die funktionellen Ergebnisse nach Behandlungsabschluss waren überwiegend gut, die subjektive Einschätzung (Score nach Larson und Lauridsen) ebenfalls.

Schlussfolgerung In nahezu allen Fällen von PL besteht eine anatomisch-funktionelle Prädisposition, wobei i. d. R. ein auslösendes Unfallereignis, z. B. im Rahmen sportlicher Betätigung, zu verzeichnen ist. Erstluxationen ohne Begleitverletzung können konservativ behandelt werden. Beim Rezidiv besteht eine Indikation zur operativen Therapie auch bei jungen Patienten, in jedem Fall bei Vorliegen osteochondraler Begleitverletzungen. Die in der Vergangenheit häufig durchgeführte Raffung des MPFL besitzt eine hohe Rezidivquote und ist deshalb als alleinige Maßnahme umstritten.