Z Geburtshilfe Neonatol 2022; 226(S 01): S4
DOI: 10.1055/s-0042-1748580
Abstracts | DGPGM

Wiederholungsrisiko beim Heterotaxiesyndrom? – Case report biallelischer Varianten im MNS1 Gen

I Dressler-Steinbach
1   Klinik für Geburtsmedizin Charité Universitätsmedizin Berlin
,
E-KA Suk
2   Praxis für Humangenetik Berlin
,
W Henrich
1   Klinik für Geburtsmedizin Charité Universitätsmedizin Berlin
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Einleitung Bei der Heterotaxie (grch. „verschieden angeordnet“) kommt es zur Rechts-Links-Transposition der Organe im Thorax und/oder Abdomen. Insbesondere der Situs ambiguus geht häufig mit Herzfehlern und weiteren Fehlbildungen einher. Lateralisationsdefekte können genetisch verursacht sein, die Häufigkeit beträgt etwa 1:15.000. Es wurden in mehreren Genen ursächliche Mutationen beschrieben (LEFTY A, ACVR2B, NODAL, CFC1, INVERSINE). Alle Patienten waren heterozygot für diese Mutationen.

Fallbeschreibung 27jährige II/I Para in 20SSW mit V.a. fetale Rhythmusstörung. GA: SPP eines gesunden Sohnes. Keine Konsanguinität. Familienanamnese leer.

Sonografischer Befund: V.a. Heterotaxiesyndrom bei Situs ambiguus mit Dextrokardie und komplexen Vitium Cordis - funktionell univentrikuläres Herz, Sinusbradykardie, Magen links und Gallenblase rechts darstellbar.

Nach komplikationsloser Amniocentese, genetischer Beratung und kinderkardiologischer Vorstellung Entschluss des Paares zum Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation.

Obduktionsbefund Dextrokardie bei univentrikulärem Herzen mit linksatrialer Isomerie, double inlet, double outlet, Polysplenie und Malrotation des Darmes.

Genetische Beurteilung Karyotyp unauffällig. Mittels Trio-Exom Sequenzierung Nachweis von zwei biallelischen (oder compound-heterozygoten) Veränderungen: einer pathogenen Variante c.538C>T (p.Arg180*) im MNS1 Gen durch den Vater vererbt sowie einer als Variante unklarer Signifikanz (ACMG Klasse 3) eingestuften Veränderung c.375G>T (p.Glu125Asp) im MSN1 Gen durch die Mutter vererbt. Pathogene biallelische Varianten im MNS1-Gen sind ursächlich für eine viszerale Heterotaxie mit männlicher Infertilität (OMIM 610766). Unter Annahme einer Pathogenität beider nachgewiesenen Varianten wäre der genetische Befund gut mit dem fetalen Phänotyp vereinbar. Aufgrund des autosomalen rezessiven Erbgangs der MSN1-assoziierten Heterotaxie und Anlageträgerschaft beider Eltern ergäbe sich ein 25 % Wiederholungsrisiko für weitere betroffene Kinder.

Diskussion Bei Diagnose eines Heterotaxiesyndroms kann eine NGS-basierte (Trio)-Exom Analyse zu einer deutlich höheren Nachweisrate genetischer Ursachen und damit zu einer sichereren Einschätzung des Wiederholungsrisikos beitragen. Die Identifikation pathogener Varianten ist für die weitere Familienplanung und zukünftige pränatalmedizinische Fragstellungen von Bedeutung, dies kann auch Varianten (noch) unklarer Signifikanz (VUS) einschließen.



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Article published online:
11 May 2022

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