Z Geburtshilfe Neonatol 2022; 226(S 01): S21-S22
DOI: 10.1055/s-0042-1748623
Abstracts | DGPGM

Bilaterale Schulterdystokie – sekundäre Anwendung des Zavanelli-Manövers mit gutem Outcome

C Gabrysch
1   Klinik für Geburtsmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
L Hinkson
1   Klinik für Geburtsmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin
› Institutsangaben
 

Einleitung Schulterdystokien treten mit einer Häufigkeit von 0,1 – 2,3% auf. Häufig gelingt die Lösung mit Lagerungs- sowie Rotationsmanövern oder der Lösung des posterioren Arms. Manöver des letzten Augenblicks kommen selten zum Einsatz. Wir beschreiben die erfolgreiche Lösung einer bilateralen Schulterdystokie durch das Zavanelli-Manöver.

Fallbeschreibung Die Vorstellung der 28-jährigen 2Gravida 1Para erfolgte mit vorzeitigem Blasensprung in 39+1 SSW. Ein diätetisch geführter Gestationsdiabetes mit anamnestisch unauffälligen Blutzuckerwerte war bekannt. Das Schätzgewicht des Feten lag bei 3750g (85. Perzentile), KU 34cm, AU 37cm.

Die Patientin entwickelt spontan Wehe, nach rascher Eröffnung kommt es in Minute 1 zur spontanen Kopfgeburt. Bei Turtle-Sign in Minute 2 Auslösen des Alarms, stoppen des Oxytocintropf und zwei Serien McRoberts-Manöver. Ab Minute 3 wird unter Bolustokolyse nach Episiotomie die Rotation nach Rubin/ Woods und Lösung des hinteren Arms versucht. In Minute 5 erneut McRoberts und suprasymphysärer Druck. Bei Palpation der hinteren Schulter deutlich oberhalb des Promontorium ossis sacri wird in Minute 6 die Indikation für Zavanellimanöver und Notsectio gestellt. Im Sinne einer umgekehrten Geburtsmechanik externe Rotation des Kindes, Flexion des Köpfchens und Reposition. In Minute 8 Geburt eines deprimierten makrosomen Mädchens, 4855g, welches sofort an die Neonatologie übergeben wird. Apgar: 1/6/6, NA-pH 7,11, BE -4,7. Eine Kühlung ist nicht notwendig, kein Hinweis auf zerebralen Schaden. Es zeigt sich eine Plexusparese der hinteren Schulter, welche sich im Verlauf bessert und engmaschig physiotherapeutisch weiterbetreut wird. Nach drei Tagen werden Mutter und Kind nach Hause entlassen.

Diskussion Eine Schulterdystokie ist immer ein unerwartetes Ereignis. Die Ungenauigkeit sonographischer Schätzung um den Termin führt zu einer begrenzten Vorhersagbarkeit. Bisher gibt es wenige Fallberichte oder -serien zum Zavanelli-Manöver, insbesondere nicht bei bilateraler Schulterdystokie. Sandberg et al. empfahlen 1985 die primäre Anwendung des Zavanelli-Manövers. Angesichts der 1993 von O’Leary et al. beschriebenen Komplikationen (10% frustrane Reposition, 3% Uterusruptur, 5% schwere maternale Verletzungen) ist die Indikation schwer zu stellen. Unser Fall zeigt, dass der Einsatz des Zavanelli-Manövers als ultima ratio bei einer bilateralen Schulterdystokie gerechtfertigt ist und es fester Bestandteil von Simulationstrainings sein sollte.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. Mai 2022

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