Suchttherapie 2022; 23(S 01): S19
DOI: 10.1055/s-0042-1755991
Abstracts
S13: Pornographie-Nutzungsstörung: Aktuelle Trends

Psychologische und neurobiologischen Mechanismen der Pornographie-Nutzungsstörung

M Brand
1   Universität Duisburg-Essen, Duisburg-Essen
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Einleitung Die Pornographie-Nutzungsstörung (PNS) kann als Subform der „Compulsive Sexual Behavior Disorder“ und demnach als Impulskontrollstörung aufgefasst werden. Gleichwohl argumentieren Autor:innen auch für eine Klassifikation als Störung durch süchtiges Verhalten, vergleichbar mit der Computerspielstörung und der Glücksspielstörung. Der Beitrag fasst die bisherigen theoretischen und empirischen Befunde zu psychologischen und neurobiologischen Mechanismen einer PNS zusammen.

Material und Methodik Narrativer Überblick über aktuelle Befunde zu Reizreaktivität, Verlangen und Inhibitionskontrolle bei PNS.

Ergebnisse Die bisherigen Befunde legen nahe, dass Reizreaktivität und Verlangen bei einer PNS erhöht sind. Auf neuraler Ebene zeigen sich erhöhte Aktivitäten im ventralen und dorsalen Striatum als Korrelate für Reizreaktivität und Verlangen. Die Befundlage zur Inhibitionskontrolle ist insgesamt sehr überschaubar und zeichnet ein deutlich inkonsistenteres Bild.

Zusammenfassung Die Befunde zu zentralen Mechanismen süchtigen Verhaltens (Reizreaktivität und Verlangen) lassen sich auch für die PNS demonstrieren. Die Integration der empirischen Daten in theoretische Modelle legt eine Konzeptualisierung der PNS als Störung durch süchtiges Verhalten nahe. Eine im Verlauf der Störungsentwicklung stärker werdende Imbalance zwischen affektiven, mit aufsuchendem Verhalten assoziierten Schaltkreisen und der mit kognitiver Kontrolle des Verhaltens assoziierten Schaltkreise könnte eine zunehmend zwanghafter werdende problematische Nutzung von Pornographie begünstigen. Inwiefern die kognitive Kontrolle tatsächlich reduziert ist oder lediglich durch die starken affektiven Prozesse überlagert wird, muss in zukünftigen Studien gezeigt werden. Potentielle Kausalitäten der psychologischen und neurobiologischen Prozesse im Kontext von PNS sollten in Longitudinalstudien adressiert werden, um Vulnerabilitäts- und Aufrechterhaltungsfaktoren besser zu verstehen. Der Erkenntnisgewinn zu den einer PNS zugrundeliegenden Mechanismen kann Prävention und Therapie informieren und potentielle Optimierungen anregen.



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Article published online:
30 August 2022

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