Suchttherapie 2022; 23(S 01): S26-S27
DOI: 10.1055/s-0042-1756013
Abstracts
S18: Re-Balance the Brain? – Vorstellung aktueller neuroendokrinologischer Forschungsergebnisse zur Rolle von Oxytocin, Leptin und Ghrelin bei Abhängigkeitserkrankungen und deren Nutzen in der Behandlung

Leptin und das abhängige Gehirn: Effekte von Leptin auf Alkoholverlangen, Rückfallrisiko, Gehirnaktivität und Gehirnvolumen

P Bach
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
,
J Bumb
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
,
I Rheinhard
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
,
S Vollstädt-Klein
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
,
F Kiefer
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
,
A Koopmann
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
› Author Affiliations
 

Einleitung Es gibt immer mehr Belege für die Rolle appetitregulierender Hormone in der Pathophysiologie der Alkoholabhängigkeit. Zu diesen Hormonen gehört Leptin. Präklinische und klinische Daten deuten darauf hin, dass Leptin die Dopaminaktivität im Belohnungssystem modulieren kann und neuroprotektiv wirkt. In den vorgestellten Arbeiten wurden die Effekte von Leptin auf die neurale Alkohol-Reiz-Reaktivität, das Alkoholverlangen, das Volumen der grauen Substanz und das Rückfall bei einer Stichprobe von Patienten mit Alkoholabhängigkeit untersucht

Material und Methodik Insgesamt wurden N=70 Patienten mit Alkoholabhängigkeit rekrutiert. Bei allen Probanden erfolgte eine kombinierte psychometrische Testung und funktionelle und strukturelle Magnetresonanztomographie (fMRT und sMRT) unter Verwendung eines validierten Versuchsaufbaus. Die fMRT-Messung wurde mit einem Siemens MAGNETOM 3 Tesla Ganzkörper-Tomographen (MAGNETOM Trio, TIM-Technologie, Siemens, Erlangen, Deutschland) durchgeführt. Zusätzlich wurden die Plasmaspiegel von Leptin vor der fMRT-Messung gemessen. Darüber hinaus wurden in den drei Monaten nach der Untersuchung Rückfalldaten erhoben. Assoziationen zwischen Hormonspiegeln, mesolimbischer Alkohol-Reizreaktivität, Gehirnvolumen, Alkoholverlangen und Rückfallrisiko wurden mit multivariaten Regressionsmodellen und Cox-Proportional-Hazards-Modellen getestet.

Ergebnisse Die Leptinspiegel zeigten einen signifikanten negativen Zusammenhang mit der durch Alkohol ausgelösten Reizreaktivität im Striatum (r = -0,316, p = 0,016, pFDR = 0,040) und dem Alkoholverlangen. Darüber hinaus zeigte sich ein signifikanter Effekt von Leptin auf die Zeit bis zum ersten schweren Rückfall, wobei höhere Leptinspiegel eine längere Zeit bis zum ersten schweren Rückfall vorhersagten (Chi2 Gesamtmodell = 4,308, HR = 0,922, 95%CI 0,853 – 0,996, p = 0,039). Darüber hinaus sagten die Leptinspiegel zu Beginn der Behandlung die Zunahme des Volumens der grauen Substanz und der kortikalen Dicke in Bereichen des frontalen Kortex und des mesolimbischen Systems vorher (pFWE<0.05).

Zusammenfassung Die Ergebnisse unserer Studien weisen auf mögliche rückfallprotektive und neuroprotektive Effekte von Leptin bei Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit hin. Die berichteten Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der appetitregulierenden Hormone in der Pathophysiologie der Sucht und ihre potenzielle Rolle als künftige Behandlungsziele.



Publication History

Article published online:
30 August 2022

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