Open Access
Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(02): 158-168
DOI: 10.1055/s-0043-101237
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychische Belastungen und Patientinnenressourcen während einer primär systemischen Therapie bei Brustkrebs. Ergebnisse einer prospektiven Studie

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Volker Tschuschke
1   Sigmund Freud-Privatuniversität Berlin, Schwerpunkt Psychotherapiewissenschaft, Berlin, Germany
,
Georgios Karadaglis
2   Brustzentrum St. Martinus-Hospital Olpe, Olpe, Germany
,
Kalliopi Evangelou
2   Brustzentrum St. Martinus-Hospital Olpe, Olpe, Germany
,
Clara Gräfin von Schweinitz
3   Abteilung für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum zu Köln, Köln, Germany
,
Jürgen Schwickerath
2   Brustzentrum St. Martinus-Hospital Olpe, Olpe, Germany
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Publikationsverlauf

received 17. März 2015
revised 13. Januar 2017

accepted 13. Januar 2017

Publikationsdatum:
17. März 2017 (online)

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Zusammenfassung

Einleitung Diese prospektive Studie berichtet über die Auswirkungen psychologischer Faktoren bei Patientinnen mit primärer Mammakarzinomerkrankung, die sich einer neoadjuvanten Chemotherapie unterzogen haben. Die spezielle Situation dieser Frauen ist nicht nur gekennzeichnet durch den Schock der Krebsdiagnose, sondern auch durch die Tatsache, dass der bösartige Tumor nicht sofort, sondern erst nach Abschluss der Chemotherapie entfernt wird. Eine solche Situation belastet und benötigt persönliche Stärken, über die nicht jede Frau verfügt.

Methoden In einer prospektiven Studie wurden 53 Patientinnen vor dem Staging und der systemischen Therapie mithilfe verschiedener psychologischer und psychoonkologischer Fragebögen und Interviews auf ihre psychische Belastung und ihre Bewältigungsressourcen hin untersucht (t 1). Unmittelbar nach Abschluss der Chemotherapie und noch vor dem operativem Eingriff erfolgte eine weitere Testung mit denselben Messinstrumenten (t 2). Zusätzlich wurden die Patientinnen zu t 1 und t 2 bezüglich ihrer Bewältigungsstrategien interviewt. Die Interviews wurden mit dem Ulmer Coping-Manual (UCM) von bezüglich der medizinischen Informationen blinden Ratern objektiv geratet.

Ergebnisse Patientinnen mit einer schlechten psychosozialen Anpassung an die Situation konnten zum Zeitpunkt t 1 identifiziert werden. Sie wiesen Defizite im sozialen Bewältigungsverhalten auf. Weiterhin wiesen sie höhere Werte in resignativem Bewältigungsverhalten und niedrigere Werte in der Suche nach sozialer Unterstützung auf, was insgesamt das Risiko für das Auftreten eines Rezidivs bzw. einer anderen Krebserkrankung im Betrachtungszeitraum von 3,7 bis 5,5 Jahren nach der chemotherapeutischen Behandlung erhöhte. Im Gegensatz dazu konnten wir über unsere Studie Patientinnen identifizieren, die über eine Stärkung ihrer Copingfaktoren die primär systemische Therapie signifikant besser bewältigten.

Schlussfolgerung Ein sorgfältiges psychologisches Screening unmittelbar nach der Diagnose und noch vor der onkologischen Behandlung ist dringend empfohlen. Über diese Maßnahmen könnten jene Patientinnen identifiziert werden, die aufgrund ihrer psychisch hohen Vulnerabilität eine zusätzliche psychoonkologische Unterstützung erhalten sollten.