TumorDiagnostik & Therapie 2017; 38(04): 262-266
DOI: 10.1055/s-0043-103170
Thieme Onkologie aktuell
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rarität – Primär pulmonal metastasiertes, pleomorphes Sarkom der Mamma

Nikola Bangemann
1   Klinik für Gynäkologie und Brustzentrum, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
A. Kunitz
2   Klinik für Hämatologie und Onkologie, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
B. M. Pfitzner
3   Institut für Pathologie, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
B. Ingold Heppner
3   Institut für Pathologie, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
J. U. Blohmer
1   Klinik für Gynäkologie und Brustzentrum, Charité Universitätsmedizin Berlin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
09. Mai 2017 (online)

Kasuistik

Eine 45-jährige Patientin stellte sich mit einem größenprogredienten Herdbefund in der rechten Brust zur Operation im Brustzentrum vor. Anamnestisch waren rezidivierende Fibroadenome bekannt und zuletzt 1989 und 1996 beidseits entfernt worden. Eine familiäre Belastung für Brust- oder Eierstockkrebs war bei der Patientin nicht bekannt. Der aktuelle Befund war extern engmaschig sonografisch und wegen der Wachstumstendenz auch stanzbioptisch untersucht worden: Histologisch wurde fibrosklerotisch umgebautes Brustgewebe mit einer Metaplasie und leichter lobulärer Hyperplasie beschrieben. Ein Anhalt für eine neoplastische Veränderung bestand nicht. Wegen der Wachstumstendenz und der fraglichen Korrelation zwischen Bildgebung und Histologie wurde die Exstirpation vereinbart.

In der präoperativ erfolgten Mammasonografie fand sich ein inzwischen 6,5 cm durchmessender, zentral gelegener, teils zystischer, teils solider Tumor mit guter Abgrenzung gegen die Umgebung. Die deutliche Größenzunahme führte die Patientin selbst auf ein Trauma zurück, welches auch zu einem Hämatom geführt habe ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Präoperative Sonografie: V. a. Phylloidestumor.

Der Tumor wurde bei V. a. progredienten Phylloidestumor entfernt. Intraoperativ fiel die zystisch-blasig weiche Konsistenz der Raumforderung auf. Histologisch bestand eine nicht im Gesunden resezierte, maligne pleomorphe Spindelzellneoplasie mit fokaler Ausbildung einer Osteoid-ähnlichen Matrix. Der Tumor wurde abschließend als undifferenziertes, pleomorphes Sarkom (G3) der Mamma beurteilt, teils unter dem Bild eines Osteosarkoms, teils unter dem Bild eines Myxofibrosarkoms. Eine epitheliale Differenzierung wurde ausgeschlossen ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Histologie des Sarkoms der Brust: maligne pleomorphe Spindelzellneoplasie mit fokaler Ausbildung Osteoid-ähnlicher Matrix. Immunhistochemisch war der Tumor positiv für Vimentin, vereinzelt auch hochmolekulare Zytokeratine (Klon34 Beta E12). Die Proliferationsrate betrug 40 %. Der Tumor war negativ für ER, PR, HER2, CD34, bcl 2, CK5/6, CK14, EpCam, EMA und MNF116.

Im unmittelbar folgenden CT-Staging von Hals / Thorax / Abdomen und Becken wurde in beiden Lungenunterlappen je ein Rundherd gesehen und als pulmonale Metastasierung des vorbestehenden Sarkoms beurteilt.

Die Befunde wurden in der interdisziplinären Sarkom-Tumorkonferenz des Charité Comprehensive Cancer Centers vorgestellt und die Durchführung einer Chemotherapie (Epirubicin, d1 + 2, 45 mg / m2 in Kombination mit Ifosphamid, 6 × 2 g / m2 d1 – 4 alle 3 Wochen) vereinbart. Ausschlaggebend für die Indikation zu der intensiven, kombinierten Chemotherapie waren der insgesamt sehr gute Allgemeinzustand der Patientin und das Wissen, dass bei oligometastasierten Tumoren und bildgebendem Ansprechen unter einer systemischen Therapie im individuellen Fall eine sekundäre metastasenchirurgische Resektion erfolgen kann. Die ersten 3 Zyklen konnten zeit- und dosisgerecht unter prophylaktischer Therapie mit G-CSF appliziert werden.

Nach 3 Zyklen der Chemotherapie wurde das Staging wiederholt: Die pulmonalen Filiae waren größenregredient ohne Nachweis neu aufgetretener metastasensuspekter Läsionen. In Anbetracht der psychischen Situation der Patientin wurde in der interdisziplinären Sarkomkonferenz entschieden, zunächst den Lokalbefund zu sanieren, dann im Intervall die Lungenmetastasen zu resezieren.

Histologisch wurden in dem sorgfältig aufgearbeiteten Abladat keine Sarkomreste mehr gesehen ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Status vor A und nach B Mastektomie.

6 Wochen später wurde die Patientin zur Resektion des Lungenherdes links aufgenommen: In dem zuvor wiederholten CT des Thorax zeigten sich die Lungenherde beidseits bereits größenprogredient, außerdem wurde links ein weiterer lappenspaltständiger verdächtiger Herd gesehen. Beide Herde links wurden CT gestützt drahtmarkiert ([Abb. 4]) und anschließend thorakoskopisch im Sinne einer zweifachen Keilresektion des Unterlappens entfernt.

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Abb. 4 Drahtmarkierung vor thorakoskopischer Resektion: pleuraständige pulmonale Metastase A und Drahtmarkierung dieser Metastase mittels CT B.

Histologisch waren beide Herde in sano reseziert. Der Befund bestätigte das vorbestehende Sarkom, vorwiegend mit Ausdifferenzierung als Osteosarkom. Die Patientin konnte bereits am 3. postoperativen Tag entlassen werden.

Weitere 3 Wochen später wurde die Metastasenchirurgie rechts mit einer atypischen, konventionellen Unterlappenresektion sowie offener Pleurolyse rechts komplettiert. Histologisch war die Metastase des osteoblastischen Osteosarkoms im Gesunden entfernt worden. Der körperliche Zustand der Patientin war abschließend gut, sie wurde nach 5 Tagen in die Häuslichkeit entlassen.

In dem hier beschriebenen Fall war das Therapieziel sekundär kurativ: neben dem Erreichen einer langfristigen Remission des Sarkoms war der Erhalt der Lebensqualität zu berücksichtigen.

In der interdisziplinären Sarkomkonferenz wurde prinzipiell eine Fortsetzung der Chemotherapie nach Resektion der pulmonalen Metastasen empfohlen, jedoch auch kontrovers diskutiert: Die Patientin befand sich in einer erheblichen therapieassoziierten Depression – bereits im Vorfeld der operativen Resektionen wurde eine Chemotherapiefortführung von ihr abgelehnt. Eine psychoonkologische Betreuung in Kombination mit einer medikamentös-antidepressiven Therapie war während der gesamten Therapiezeit erfolgt, konnte die psychische Situation aber nicht maßgeblich verbessern. Mit der Patientin wurden somit engmaschige bildgebende Verlaufskontrollen besprochen. Im Falle eines Rezidivs der Erkrankung könnte durch eine weitere Salvagetherapie des Sarkoms – ggf. erneut mit metastasenchirurgischem Vorgehen – eine nochmalige Langzeitremission erreicht werden.