Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(10): 767-768
DOI: 10.1055/s-0043-105619
Facharztfragen
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29-jähriger Mann mit starkem Krankheitsgefühl

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Publication Date:
17 May 2017 (online)

Zu Ihnen kommt ein 29-jähriger Patient, der berichtet, bisher immer gesund gewesen zu sein. Seit einer Woche fühle er sich „richtig krank“, er habe erhöhte Temperatur, Gliederschmerzen und nun auch – das habe ihn besonders beunruhigt – Herzrasen und Herzstolpern. Bei der körperlichen Untersuchung besteht eine Tachykardie von 120/min, palpatorisch zahlreiche Extrasystolen. Der übrige Untersuchungsbefund ist völlig unauffällig. Woran müssen Sie in dieser Situation auch unbedingt denken?
Antwort

So, wie Sie den Patienten geschildert haben, besteht neben einer unspezifischen Allgemeinsymptomatik offenbar eine Herzsymptomatik, darum muss unbedingt eine Myokarditis berücksichtigt werden.

Kommentar

Klinische Symptomatik der Myokarditis:

  • Allgemeinsymptome:

    • Fieber

    • Gliederschmerzen

    • Gelenkschmerzen

    • Abgeschlagenheit

    • Müdigkeit

  • Kardiale Symptome:

    • Tachykardien

    • Rhythmusstörungen

    • bei Perikardbeteiligung Thoraxschmerzen

Welches ist der erste Schritt, den Sie nach Anamnese und körperlicher Untersuchung unternehmen?
Antwort

Ableitung eines EKG.

Kommentar

Basisdiagnostik bei V. a. Myokarditis:

  • Anamnese

  • körperliche Untersuchung

  • EKG

  • Laboruntersuchungen

  • weitere Diagnostik je nach Situation

Welche EKG-Veränderungen können Sie bei einer Myokarditis erwarten?
Antwort

Die EKG-Veränderungen sind sehr variabel und häufig unspezifisch. Im Vordergrund stehen Sinustachykardien, supraventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien, Schenkelblockbilder, AV-Blockierungen, Zeichen des Innenschichtschadens.

Kommentar

EKG-Veränderungen bei Myokarditis:

  • Rhythmusstörungen:

    • supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolie

    • Sinustachykardie

    • paroxysmale Tachykardie

    • AV-Blockierungen

    • Schenkelblockbilder

  • Zeichen des Außenschichtschadens

  • Zeichen des Innenschichtschadens

Die EKG-Veränderungen sind außerordentlich variabel und unspezifisch.

Sie erwähnten die Laboruntersuchungen. Welche interessieren Sie bei der Basisdiagnostik?
Antwort

Allgemeine Entzündungsparameter, serologische Untersuchungen im Hinblick auf die Ursache, Antikörperdiagnostik in Bezug auf kardiale Antigene.

Kommentar

Laboruntersuchungen bei Myokarditisverdacht:

  • Allgemeine Entzündungsparameter:

    • BKS

    • Blutbild

  • Erregerdiagnostik:

    • serologische Untersuchungen

  • Diagnostik des Muskelschadens:

    • CK (Creatinkinase) und CK-MB

    • Troponin

  • Antikörperdiagnostik:

    • antimyolemmale Antikörper

    • antisarkolemmale Antikörper

Welche Erreger können eine Myokarditis auslösen?
Antwort

Fast alle, insbesondere jedoch Viren – hier besonders Coxsackie-Viren –, Bakterien, selten aber auch Parasiten, Pilze und Protozoen.

Kommentar

Infektiöse Ursachen der Myokarditis:

  • Viren:

    • Coxsackie-Viren

    • CMV

    • HIV

    • Influenzaviren

    • Adenoviren

    • ECHO-Viren

  • Bakterien:

    • Staphylokokken

    • Streptokokken

    • Enterokokken

    • Borrelien

    • Leptospiren

  • Protozoen:

    • Toxoplasma gondii

  • Pilze:

    • Candida albicans

  • Parasiten:

    • Echinokokkus

Merke

Eine Myokarditis kann durch fast alle Erreger ausgelöst werden, von zahlreichen Viren über Bakterien zu Pilzen, Protozoen und Parasiten.

Kennen Sie auch nicht infektiöse Ursachen der Myokarditis?
Antwort

Immunologisch vermittelte Myokarditiden, toxische Myokarditiden.

Kommentar

Nicht infektiöse Ursachen einer Myokarditis:

  • Immunologisch vermittelt:

    • Sklerodermie

    • SLE

    • Morbus Wegener

    • Sarkoidose

    • medikamentöse Allergene (5-Amino-Salicylsäure, Clozapin)

  • Toxisch:

    • Medikamente

    • Cocain

  • Radiatio

Bei dem jungen Mann bestehen also ein allgemeines Krankheitsgefühl, eine Sinustachykardie und einige Extrasystolen. Wie sichern Sie denn nun die Diagnose Myokarditis?
Antwort

Eine beweisende Einzeluntersuchung gibt es nicht. Die Diagnose basiert auf den Allgemeinsymptomen, dem Nachweis der kardialen Funktionsstörung, der Erregerdiagnostik und – als Goldstandard – der Myokardbiopsie.

Kommentar

Diagnose der Myokarditis:

  • Allgemeinsymptomatik

  • EKG-Veränderungen

  • Echokardiografie

  • Linksherzkatheter mit Endomyokardbiopsie

Wie behandeln Sie den Patienten?
Antwort

Bettruhe; wenn möglich, kausale Behandlung, Behandlung der Komplikationen.

Kommentar

Therapie der Myokarditis:

  • Allgemeinmaßnahmen:

    • körperliche Schonung, Bettruhe

  • Kausale Behandlung:

    • Behandlung bakterieller, parasitärer, mykotischer Erreger

  • Behandlung von Komplikationen:

    • Antiarrhythmika, Diuretika, ACE-Hemmer, Betablocker

Wie beurteilen Sie die Prognose der akuten Virusmyokarditis?
Antwort

In aller Regel komplette Ausheilung, möglicherweise jedoch tödliche Akutkomplikationen und Spätkomplikationen.

Kommentar

Verlaufsform der akuten Virusmyokarditis:

  • Ausheilung

  • plötzlicher Herztod

  • chronische Myokarditis

  • kongestive Kardiomyopathie

  • DCM

Sie haben bei dem jungen Mann aufgrund des klinischen Bildes und der EKG-Veränderungen die Diagnose einer Myokarditis gestellt. Im Rahmen der Laboruntersuchungen finden Sie Antikörper gegenüber Coxsackie-Viren. Welche Diagnose stellen Sie?
Antwort

Allein auf dem Boden des Antikörpernachweises lässt sich die Diagnose einer Coxsackie-Virus-bedingten Myokarditis nicht stellen. Die Durchseuchung in der gesunden Bevölkerung ist zu hoch.

Kommentar

Coxsackie-Virus-Myokarditis:

Hinweisgebend ist der 4-fache Titeranstieg.

Sie erwähnten vorhin die Endomyokardbiopsie. Wie gut ist denn die Chance, hierbei eine Diagnose zu stellen?
Antwort

Auch nicht gut. Die Sensitivität liegt bei etwa 50 %.

Kommentar

Endomyokardbiopsie bei Myokarditis:

Wegen der fokalen Verteilung der Veränderungen beträgt die Sensitivität bei Entnahme von 4 – 5 Biopsien etwa 50 %.

Ist eine Myokardbiopsie eigentlich gefährlich?
Antwort

Nein. Die gefährlichste Komplikation ist die Ventrikelperforation. Das Risiko, an dem Eingriff zu sterben, ist äußerst gering.

Kommentar

Komplikationen der Myokardbiopsie:

  • Ventrikelperforation in 1 – 3 %

  • Tödliche Komplikationen: Raritäten

Merke

Endokardbiopsie bei Myokarditis → Trefferquote 50 %.

Nach: Berthold Block,

Facharztprüfung Innere Medizin,

3000 kommentierte

Prüfungsfragen.

5., vollständig überarbeitete Auflage 2017

ISBN 9783 131 359 551