physiopraxis 2017; 15(11/12): 6-9
DOI: 10.1055/s-0043-113974
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

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24 November 2017 (online)

Therapeuten flüchten aus Beruf – 9. Interdisziplinäres Symposium in Idstein

Der Masterstudiengang Therapiewissenschaften hat mit seinem Forschungsprojekt „Ich bin dann mal weg“ ins Schwarze getroffen. Am 30. September 2017 reisten nicht nur an die hundert Interessierte aus der Logopädie, Physio- und Ergotherapie nach Idstein an die Hochschule Fresenius, um der Präsentation der neun Masterstudierenden zu lauschen und darüber zu diskutieren. Auch das Echo in den Medien war erstaunlich hoch: Zum Beispiel über SWR, NDR, Ärzteblatt und Ärztezeitung verbreitete sich die Nachricht, dass Therapeuten aufgrund schlechter Bezahlung und Aufstiegschancen ihren Beruf hinschmeißen, wie ein Lauffeuer unter Ärzten und in der Öffentlichkeit. Die Resonanz auf unseren Facebook-Post auf Thieme liebt Physiotherapeuten (S. 5) unterstreicht, wie sehr die Physiotherapeuten unter der schlechten Vergütung und den stark reglementierten Arbeitsbedingungen leiden.

51 % der Physios denken über einen Berufswechsel nach.

Das Forschungsprojekt der Masterstudierenden unter der Leitung von Dekanin Dr. Sabine Hammer gliedert sich in einen qualitativen und einen quantitativen Teil. Zuerst befragten sie 28 Therapeuten, die bereits aus der klinischen Arbeit am Patienten ausgestiegen sind. Darunter waren elf Vollaussteiger (Berufswechsler), sieben Systemflüchter (raus aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung) und zehn Weiterentwickler (Veränderung in Richtung Forschung, Lehre, Leitung …). Über deren Antworten wollten die Studierenden herausfinden, was die Kollegen dazu bewegt hat, sich beruflich zu verändern. Im zweiten Schritt riefen sie über digitale Kanäle Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten dazu auf, an einer Onlinebefragung teilzunehmen. Knapp 1.000 machten mit, von denen bereits ein Viertel den Ausstieg vollzogen hatte. Bei den 748 verbliebenen Teilnehmern ergibt die Umfrage folgendes Bild:

  • 38 % wollen in ihrem Beruf weiterarbeiten,

  • 37 % denken über einen Wechsel nach,

  • 15 % planen diesen bereits konkret und

  • 10 % schauen sich momentan um.

Die fünf Hauptgründe für den Ausstieg waren:

  • Verdienst (74 %)

  • Perspektiven (67 %)

  • Lobby (58 %)

  • Bürokratie (49 %)

  • Zeit (49 %)

Die Zahlen sind ernüchternd, auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Auf dem Symposium waren sich alle einig, dass sich die Vergütung erhöhen muss und dass die Therapeuten Karrierechancen, mehr Berufsautonomie und Mitspracherechte brauchen.

ba