Dtsch Med Wochenschr 2018; 143(08): 537
DOI: 10.1055/s-0043-114498
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Medizinische Betreuung am Lebensende – die richtige Balance finden

Aspects of Palliative Care: Finding the Right Balance
Wolfgang Hiddemann
Further Information

Publication History

Publication Date:
12 April 2018 (online)

Zoom Image
Prof. Dr. med. Wolfgang Hiddemann

Die Diskussion um eine gute medizinische Betreuung am Lebensende, die auf den betroffenen Menschen ausgerichtet ist, hat in den letzten Jahren auch in den öffentlichen Medien einen breiten Raum eingenommen. Verschiedene Komponenten kommen hier zusammen: die rasch zunehmende Zahl alter und pflegebedürftiger Patienten, die hohe Komplexität der modernen Medizin, die bei vielen Betroffenen zu Verunsicherung und Misstrauen führt, sowie die steigenden Kosten im Gesundheitswesen. Letztere führen zu teils absurden Diskussionen um die Einführung von sogenannten „Todesalgorithmen“, die entscheiden sollen, ob sich eine Behandlung am Lebensende unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten noch „lohnt“.

Vor diesem Hintergrund ist eine klare Darstellung der Möglichkeiten und auch Grenzen palliativmedizinischer Maßnahmen notwendig und hilfreich, die auf die verschiedenen Aspekte der Palliativmedizin eingeht.

Das vorliegende Dossier der DMW stellt sich dieser Herausforderung: Es gibt eine Übersicht über die aktuellen Konzepte palliativer Betreuung und stellt damit eine wertvolle Orientierungshilfe dar.

So zeigen M. Spickermann und P. Lenz, wie man in der komplexen Situation eines medizinischen Notfalls zwischen der „optimalen“ und der „maximalen“ Therapie differenzieren kann – und auf welcher Grundlage die für den betroffenen Menschen angemessenen Maßnahmen ergriffen werden können.

Viele Menschen haben den Wunsch, ihre letzte Lebenszeit zu Hause zu verbringen und auch dort zu sterben. Dieser Wunsch kollidiert oft mit den begrenzten Möglichkeiten der häuslichen Pflege und ausreichender medizinischer Betreuung. Mit dem Angebot der „Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV)“ kann diesem Bedürfnis zumindest teilweise nachgekommen werden. F. Nauck und M. Jansky geben in ihrem Beitrag eine hervorragende Übersicht über die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen sowie über die medizinischen Möglichkeiten der SAPV.

In der öffentlichen und in der medizinischen Wahrnehmung wird Palliativmedizin oft als die Betreuung krebskranker Menschen verstanden. In der Tat nehmen zahlenmäßig überwiegend onkologische Patienten die Palliativmedizin in Anspruch. Wie C. Bausewein in ihrem Beitrag darstellt, besteht jedoch auch ein großer Bedarf an palliativmedizinischer Betreuung bei nicht onkologischen Erkrankungen; etwa bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, amyotropher Lateralsklerose, Demenz und vielen anderen.

Der abschließende Beitrag dieses Dossiers von U. Helm und M. Kamprad geht auf die Problematik der palliativen Sedierung ein sowie auf den schwierigen Entscheidungsprozess, der zur Auswahl einer situationsspezifisch angemessenen Sedierung und Symptomlinderung führt.

Das Dossier der DMW zur Palliativmedizin gibt einen ausgezeichneten Überblick über wesentliche Aspekte der palliativmedizinischen Betreuung – und erleichtert so die Einordnung und Auswahl angemessener Maßnahmen bei der Begleitung schwerkranker Menschen am Lebensende.