Pädiatrie up2date 2018; 13(03): 211-225
DOI: 10.1055/s-0043-115870
Entwicklung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Regulationsstörungen

Astrid Schirmer-Petri
,
Laura Többens
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Publication History

Publication Date:
04 September 2018 (online)

Selbstregulation beschreibt die Fähigkeit eines Kindes, das eigene Verhalten entsprechend den kognitiven, emotionalen und sozialen Anforderungen einer bestimmten Situation zu modulieren [1]. Wenn die Bewältigung anstehender Entwicklungsaufgaben nicht gelingt, die kindliche Selbstregulation nicht greift und die Eltern-Kind-Beziehung deutlich leidet, ist dies häufig Ausdruck einer Regulationsstörung.

Kernaussagen
  • Regulationsstörungen wie exzessives Schreien, Schlaf- oder Fütterstörungen, aber auch exzessives Trotzverhalten sind häufige Störungen des Säuglings- und Kleinkindalters.

  • Regulationsstörungen neigen zur Persistenz und führen nicht selten zu auffälligen Eltern-Kind-Interaktionen oder auch Entwicklungsverzögerungen.

  • In der kinderärztlichen Praxis werden die Störungsbilder im Alltag häufig unterschätzt, denn oft ist der subjektiv wahrgenommene Belastungsgrad der Eltern deutlich höher, als die aktuell beschriebene Symptomatik des Kindes es vermuten lässt.

  • Durch eine ausführliche Anamnese und eine entsprechende Beratung können Kinderärzte in vielen Fällen zur Verbesserung der Situation beitragen.

  • Der diagnostische Fokus liegt auf einer Symptomtrias von Verhaltensproblemen des Kindes, Eltern-Kind-Interaktion sowie psychophysischen Belastungen der Familienmitglieder.

  • Besonders bei belasteten Familien mit geringen Ressourcen und/oder psychisch erkrankten Elternteilen ist die Prognose von Regulationsstörungen als ungünstig einzuschätzen. In diesen Fällen, aber auch bei Persistenz der Symptomatik, erscheint es sinnvoll, verstärkt das Angebot von Spezialambulanzen zu nutzen.

 
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