Rofo 2017; 189(09): 817-819
DOI: 10.1055/s-0043-115873
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Informationen der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie zur Verwendung von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel für die Kernspintomografie im Kindes- und Jugendalter

Für den Vorstand der GPR
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Publication Date:
23 August 2017 (online)

Jahrelang galt die Verwendung gadoliniumhaltiger Kontrastmittel in der Magnetresonanztomografie (MRT) als sicher – auch beim Einsatz im Kindes- und Jugendalter. Einzig die nephrogene systemische Fibrose (NSF) war als mögliche Erkrankung nach Gabe gadoliniumhaltiger Kontrastmittel bei Patienten mit Risikofaktoren (z. B. Niereninsuffizienz, Azidose, bei Lebertransplantation …) zu beachten und entsprechende Vorkehrungen zu treffen; zusätzlich war bei Kindern die Verwendung „stabiler“ makrozyklischer Präparate und eine Aufzeichnung über die Anzahl der Gabe gadoliniumhaltiger Kontrastmittel zur Erfassung der kumulativer Gadoliniumbelastung empfohlen (siehe Leitinien ESUR safety committee, ESPR uroradiology task force). Derzeit wächst in den medizinischen Fachgesellschaften und in der Öffentlichkeit aber die Besorgnis über Gadoliniumablagerungen im Gehirn nach intravenöser Verwendung von Gadoliniumverbindungen.

Deshalb stellt die Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie die aktuelle Situation dar, erörtert allgemeine Hinweise zur Kontrastmittelgabe im Kindesalter und gibt Hinweise auf eine publizierte Meinung des NIH (National Institutes of Health, Maryland) und von europäischen Institutionen (ESPR Abdominal Imaging Task Force, ESUR Contrast Safety Committee, EAM) [1] [2] [3] zur Frage:

Welche Gruppe von gadoliniumhaltigen Kontrastmittel sollte im Kindes- und Jugendalter Verwendung finden und wann?

Freies Gadolinium ist toxisch [4]. Um seine Toxizität zu minimieren, wird Gadolinium an verschiedene Liganden gebunden, die die Freisetzung und Ablagerung von freiem Gadolinium im Körper verhindern sollen. Grundsätzlich kann man die gadoliniumhaltigen Kontrastmittel in zwei große Gruppen einteilen:

  • Kontrastmittel mit linearer Molekülstruktur („lineare Kontrastmittel“)

  • Kontrastmittel mit makrozyklischer Molekülstruktur („makrozyklische Kontrastmittel“)

Es wird derzeit davon ausgegangen, dass makrozyklische, gadoliniumhaltige Kontrastmittel, die höchste kombinierte thermodynamische und kinetische Stabilität haben [5] [6].

Neuerdings zeigten eine Reihe von Studien bei Tieren und Menschen, dass nach der Gabe von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel dauerhafte Änderungen der T1 Signalintensitäten in bestimmten Strukturen im Gehirn entstehen [7] [8] [9] [10]. In der Literatur gibt es bislang auch – wenngleich wenige – gut dokumentierte Fälle von Kindern mit einem Anstieg von T1-Signalintensität im Gehirn nach wiederholter Anwendung von in erster Linie linearem gadoliniumhaltigem Kontrastmittel [11] [12] [13]. Hu et al. (2016) beschreiben in einer Studie von 21 Kindern keine Abhängigkeit des T1-Signalanstiegs im Pallidum und Dentatus von der Anzahl und Dosis der Kontrastmittelgaben [14]. Radbruch et al. (2015) fanden nach wiederholter Gabe von linearem Kontrastmittel eine erhöhte Signalintensität in bestimmten Gehirnarealen auf T1-gewichteten Bildern, nicht nach wiederholter Gabe von makrozyklischem Kontrastmittel [15]. Diese Ergebnisse bestätigen andere, frühere Untersuchungen [16] [17]. Jedoch gibt es zwei Studien bei Erwachsenen, die auch nach Gabe von makrozyklischen Kontrastmittel Veränderungen gefunden haben. Stojanov et al. untersuchten Erwachsene mit schubförmig-remittierender multipler Sklerose [18] [19]. Murata et al. (2016) berichteten vor kurzem über die Ergebnisse einer Autopsiestudie, bei der sich nach Anwendung von makrozyklischem gadoliniumhaltigen Kontrastmittel Gadoliniumablagerungen in allen Hirnarealen fanden [20]. Eine Tierstudie konnte in den Gehirnen von Ratten auch nach Exposition von makrozyklischem Gadolinium entsprechende Ablagerungen nachweisen [21]. Bisher ist auch noch nicht abschließend geklärt, ob und in welchem Ausmaß auch bei Kindern nach Gabe von makrozyklischem gadoliniumhaltigen Kontrastmittel Veränderungen im Gehirn zu detektieren sind.

Bis heute wurden klinisch keine nachteiligen Auswirkungen dieser Ablagerungen identifiziert. Allerdings ist bei Säuglingen und Kindern aufgrund der hohen Lebenserwartung das theoretische Potenzial neurotoxischer Langzeitwirkungen von besonderer Bedeutung; möglicherweise ist auch das sich entwickelnde Gehirn anfälliger für Gadoliniumablagerungen und deren potenzielle Auswirkungen [22]. Zusätzlich ist zu bedenken, ob und welche Langzeitfolgen insbesondere bei Kindern bei der zu postulierenden Ablagerung von Gadolinium auch in andern Körperregionen (z. B. Knochenmark, Leber) möglich wären.

Aufgrund der Datenlage sollte daher auch künftig stets darauf geachtet werden, dass die Gabe von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel bei Kindern aller Altersgruppen immer nur nach einer strengen Indikationsstellung erfolgt und nur dann Kontrastmittel eingesetzt wird, wenn die klinische Fragestellung nicht mittels anderer Sequenzen bzw. anderer Bildgebung ohne ionisierende Strahlung (z. B. durch die Sonografie) beantwortet werden kann. Auf die Verwendung einer doppelten Kontrastmitteldosis sollte – wenn möglich – in der MRT verzichtet werden, ebenso auf die kurzzeitige wiederholte Kontrastmittelapplikation und die Gabe von gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln bei Neugeborenen aufgrund der längeren Eliminationszeit bei physiologischer Nierenunreife. Die Datenlage reichte bisher noch nicht aus, um eine offizielle Empfehlung für oder gegen eine Gruppe der gadoliniumhaltigen Kontrastmittel zu formulieren, wenngleich bereits die bislang bestehenden Empfehlungen anführen, im Kindesalter bevorzugt die stabileren, makrozyklischen gadoliniumhaltigen Kontrastmittel einzusetzen. Eine publizierte Meinung der NIH (National Institutes of Health, Bethesda, Maryland) ist folgende:

„When GBCAs are required, consider the use of a macrocyclic GBCA (eg, gadobutrol, gadoteridol, gadoterate meglumine) rather than a linear agent.“ [23]

Das bedeutet, dass das NIH der Meinung ist, dass im Kindes- und Jugendalter makrozyklische Kontrastmittel eher als die linearen, gadoliniumhaltigen Kontrastmittel genutzt werden sollten. Dies entspricht auch den geltenden Empfehlungen der ESUR (Contrast Media Safetly Committe) und der ESPR (Uroradiology task force). Folgende Grundüberlegungen für die Anwendung gadoliniumhaltiger Kontrastmittel im Kindesalter können somit getroffen werden:

  1. Strenge Indikationsstellung für die Gabe von gadoliuniumhaltigem Kontrastmittel im Kindesalter.

  2. Monitoring der kumulativen Gadoliniumdosis zukünftig in einem zentralen Register.

  3. Verwendung von makrozyklischen Kontrastmitteln, Vermeidung von „double dose“ und Gadolinium-Gaben in der Neugeborenenperiode.

  4. Verwendung von linearen Kontrastmittel, wenn keine Alternative vorhanden ist (z. B.: leberspezifisches, lineares Kontrastmittel).

  5. Vorkehrungen zur NSF-Prävention unter Beachtung der geltenden Kontraindikationen und Einsatz vorbeugender Maßnahmen wie z. B. Hydrierung, Azidoseausgleich. Eine indizierte und erforderliche MR-Kontrastmittelgabe sollte aber nicht verwehrt werden.

Ganz aktuell ist die Empfehlung der PRAC (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee), die von der EMA (European Medicines Agency) bestätigt wurde (21.07.2017/EMA/457616/2017), welche die Zulassung von bestimmten linearen gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln einschränkt und die Stellungnahme der Gesellschaft für pädiatrische Radiologie unterstützt.

Unabhängig von diesen Grundüberlegungen ist der verantwortliche Arzt verpflichtet, die aktuelle Datenlage/Publikationen bzgl. des Einsatzes von gadoliniumhalten Kontrastmitteln aufmerksam zu verfolgen und sein Verhalten daran zu adaptieren.