Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(20): 1559
DOI: 10.1055/s-0043-117486
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vorhofohrverschluss – reif für die Praxis?

Claudia Stöllberger
1   Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien, Österreich
,
Birke Schneider
2   Sana Kliniken Lübeck, Lübeck, Deutschland
› Author Affiliations
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Publication Date:
10 October 2017 (online)

Zu dem Artikel von Schulze et al. [1] möchten wir einige Anmerkungen machen:

Welche Erklärung haben die Autoren für die hohe Rate von 30 – 40 % inkompletten Verschlüssen des linken Vorhofohrs (LHO), die mit chirurgischen Verfahren vorgenommen wurden? Daten aus randomisierten Studien zum interventionellen LHO-Verschluss liegen nur für den Watchman-Okkluder vor [2]. Sicherheit und Effizienz der anderen Okkluder wurden nur in Registern dokumentiert. In der PROTECT-AF-Studie fand man nach 12 Monaten bei 32 % der Patienten das LHO inkomplett verschlossen [3]. Eine weitere Studie untersuchte Patienten nach epikardialem interventionellem LHO-Verschluss mittels des LARIAT-Systems und fand nach 3 Monaten in 24 % der Fälle inkomplett verschlossene LHO [4].

Bei Patienten, deren LHO unmittelbar nach dem Eingriff als komplett verschlossen beurteilt wurde, können späte Lecks diagnostiziert werden. Da das Myokard des LHO wesentlich dehnbarer als das Vorhofmyokard ist und es nach LHO-Verschluss häufig zu einer Vergrößerung des linken Vorhofs kommen kann, ist nicht auszuschließen, dass nach längerer Beobachtungszeit die Häufigkeit und die Größe der Lecks zunehmen werden. Die Relevanz dieses Lecks ist unklar. Von chirurgisch inkomplett verschlossenen LHO wissen wir, dass die Schlaganfallrate erhöht ist [5]. Ob dies auch für den interventionellen LHO-Verschluss gilt, wird kontrovers beurteilt, vor allem, weil es dazu noch relativ wenige Daten gibt [6].

Als Spätkomplikationen des interventionellen LHO-Verschlusses sind u. a. Thromben auf dem Okkluder, Embolisation des Okkluders, plötzliche Todesfälle infolge Myokardinfarkts und Perforation von Teilen des Okkluders in die Pulmonalarterie beschrieben worden [7] [8] [9]. Da in den meisten Studien und Registern nach LHO-Verschluss die Beobachtungszeit auf 12 Monate begrenzt ist, wissen wir derzeit wenig über die Häufigkeit und klinische Relevanz der Spätkomplikationen.

Dauer und Intensität der Antikoagulation bzw. der dualen thrombozytenaggregationshemmenden Behandlung nach interventionellem LHO-Verschluss sind unklar. Obwohl als Grund für den LHO-Verschluss eine Kontraindikation gegen Antikoagulantien angegeben wird, erhalten die Patienten zumindest für 3 Monate weiter eine solche Medikation mit entsprechend erhöhtem Blutungsrisiko.

Das LHO ist ein hämodynamisch und endokrin relevantes Organ [10]. Im Endokard des LHO wird das atriale natriuretische Peptid gespeichert und – sofern ein Dehnungsreiz vorliegt – freigesetzt [11]. Über die Langzeitauswirkungen einer Eliminierung des LHO gibt es nur wenige Daten. Nach Verschluss des LHO wurde ein Rückgang der Serum Konzentration des atrialen natriuretischen Peptids gemessen [12]. Ob ein LHO-Verschluss das Entstehen oder die Aggravierung einer Herzinsuffizienz begünstigt, ist unbekannt, da dies nicht als „Komplikation“ in den Langzeitbeobachtungsstudien gezählt wird.

Der LHO-Verschluss ist heute sicherlich besser machbar als noch vor einigen Jahren. Ob wir unseren Patienten damit aber mehr nützen als schaden, ist derzeit unklar. Aus diesen Gründen halten wir es für verfrüht, den LHO-Verschluss für Patienten als Therapie zu empfehlen, bei denen orale Antikoagulantien kontraindiziert sind. Wir brauchen mehr Daten aus randomisierten Studien, die auch die Langzeitwirkungen dieser Therapie erfassen.

 
  • Literatur

  • 1 Schulze V, Zeus T, Sievert H. Update Vorhofohrverschluss 2017. Dtsch Med Wochenschr 2017; 142: 506-510
  • 2 Reddy VY, Sievert H, Halperin J. PROTECT AF Steering Committee and Investigators. et al. Percutaneous left atrial appendage closure vs warfarin for atrial fibrillation: a randomized clinical trial. JAMA 2014; 312: 1988-1998
  • 3 Viles-Gonzalez JF, Kar S, Douglas P. et al. The clinical impact of incomplete left atrial appendage closure with the Watchman Device in patients with atrial fibrillation. J Am Coll Cardiol 2012; 59: 923-929
  • 4 Miller MA, Gangireddy SR, Doshi SK. et al. Multicenter study on acute and long-term safety and efficacy of percutaneous left atrial appendage closure using an epicardial suture snaring device. Heart Rhythm 2014; 11: 1853-1859
  • 5 Aryana A, Singh SK, Singh SM. et al. Association between incomplete surgical ligation of left atrial appendage and stroke and systemic embolization. Heart Rhythm 2015; 12: 1431-1437
  • 6 Aryana A, d'Avila A. Incomplete Closure of the Left Atrial Appendage: Implication and Management. Curr Cardiol Rep 2016; 18: 82
  • 7 Lempereur M, Aminian A, Freixa X. et al. Device-associated thrombus formation after left atrial appendage occlusion. Catheter Cardiovasc Interv 2017; DOI: 10.1002/ccd.26903.
  • 8 Aminian A, Lalmand J, Tzikas A. et al. Embolization of left atrial appendage closure devices. Catheter Cardiovasc Interv 2015; 86: 128-135
  • 9 Halkin A, Cohen C, Rosso R. et al. Left atrial appendage and pulmonary artery anatomic relationship by cardiac-gated computed tomography. Heart Rhythm 2016; 13: 2064-2069
  • 10 Stöllberger C, Schneider B, Finsterer J. Elimination of the left atrial appendage to prevent stroke or embolism?. Chest 2003; 124: 2356-2362
  • 11 Nagai-Okatani C, Kangawa K, Minamino N. Three molecular forms of atrial natriuretic peptides. J Pept Sci 2017; DOI: 10.1002/psc.2969.
  • 12 Majunke N, Sandri M, Adams V. et al. Atrial and Brain Natriuretic Peptide Secretion After Percutaneous Closure of the Left Atrial Appendage With the Watchman Device. J Invasive Cardiol 2015; 27: 448-452