Handchir Mikrochir Plast Chir 2017; 49(05): 326-330
DOI: 10.1055/s-0043-119990
Der interessante Fall
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bilaterales, riesiges Schwannom des N. ulnaris im Rahmen einer Schwannomatose

Bilateral, giant schwannoma of the ulnar nerve in a case of schwannomatosis
Marion Mühldorfer-Fodor
,
Thomas Pillukat
,
Jörg van Schoonhoven
,
Karl-Josef Prommersberger
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Publication History

07/26/2017

09/18/2017

Publication Date:
17 October 2017 (online)

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Einleitung

Gutartige Nervenscheidentumoren machen ca. 12 % der gutartigen Weichteilgeschwulste im Unterarm- und Handbereich aus [1]. Überwiegend handelt es sich um Neurofibrome oder Schwannome (Synonym: Neurilemmom) [1–4]. Es sind auch Hybrid-Tumoren mit histologisch-zellulären Mischformen beschrieben [5]. Die Inzidenz der Schwannome an der oberen Extremität beträgt 0,62 pro 100 000 Einwohner [6]. Die oberen Extremitäten sind mit 19–27 % die zweithäufigste Prädilektionsstelle des Schwannoms, am häufigsten treten diese gutartigen Nervenscheidentumore im Kopf- und Nackenbereich auf (45 %) [4], [7]. Desai analysierte 442 operativ behandelte, extrakranielle Schwannome. 66 % waren an den Extremitäten, 33 % am Plexus brachialis lokalisiert. Der N. ulnaris war mit 16 % der am häufigsten betroffene Nerv. [8].

Meist präsentiert sich ein Schwannom als gut abgrenzbarer, solider Tumor von fester Konsistenz, der exzentrisch dem Nerv aufsitzt. In ca. 5 % der Fälle kann die Tumormasse als sogenanntes plexiformes Schwannom eine unregelmäßige, multinoduläre Form aufweisen [9]. Selten, aber bereits mehrfach beschrieben, ist das Auftreten multipler Schwannome im Verlauf eines Nervs und seiner Äste oder auch an verschiedenen Nerven derselben Extremität (Schwannomatose) [3], [10–15]. Im Allgemeinen ist nur eine Körperhälfte betroffen. Barre et al. beschrieben den einzigen bilateralen Fall mit zeitlich verzögertem Auftreten je eines Schwannoms am N. medianus beidseits mit Karpaltunnelsyndrom [16].

Klinisch treten Schwannome als tastbare Raumforderung in Erscheinung, welche Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und Paresen verursachen können [3], [17], [18]. Beim Beklopfen des Tumors lässt sich häufig ein Elektrisieren auslösen (Hoffmann-Tinel-Zeichen). Sonographisch stellen sich Schwannome als echoarme, scharf konturierte Raumforderungen dar. Zystische Einschlüsse infolge hyaliner und myxoider Degeneration können sich als echofreie Areale, z. T. mit distaler Schallverstärkung, abbilden. In Händen eines geübten Untersuchers lassen sich Tumorausdehnung, Abgrenzbarkeit und Lagebeziehungen sonographisch in der Regel sehr gut darstellen. Vor allem bei unklaren oder ausgedehnten Fällen eignet sich zur Diagnostik des Schwannoms am besten die MR-Tomographie. Nach venöser Kontrastmittelgabe weisen Schwannome und Neurofibrome eine intensive, häufig inhomogene Kontrastierung zwischen zellreichen, hypervaskularisierten Arealen und nichtanreichernden Zonen mit zystischer oder xanthomatöser Degeneration auf. Insbesondere bei großen Tumoren muss differenzialdiagnostisch ein maligner Nervenscheidentumor in Erwägung gezogen werden, wobei aufgrund der o. g. Signalinhomogenitäten im Tumorinnern die Abgrenzung auch im MRT unsicher sein kann. [19]

Da Schwannome von der Nervenscheide ausgehen, lassen sie sich operativ meist relativ gut und schonend aus dem Nerv „heraus- bzw. abschälen“. Manchmal ist die Tumormasse jedoch nicht von einzelnen Nervenfaszikeln zu trennen [2], [8], [20–22]. Entsprechend können postoperativ neurologische Defizite auftreten. Insbesondere bereits präoperativ schmerzhafte und weiter proximal gelegene Tumoren sowie Tumoren größer als 4 cm haben ein erhöhtes Risiko für dauerhafte, neurologische Störungen postoperativ [18], [22]. In der Peripherie der Hände können Schwannome von kleinen Nervenästen ausgehen, die bei der Tumorresektion nicht mehr identifizierbar sind. Solch periphere Tumoren scheinen keine Sensibilitätsstörungen zu verursachen [2]. Rezidive nach operativer Entfernung von Schwannomen sind in der Regel nicht zu erwarten [20]. Lediglich Desai beschreibt 2 Rezidive bei 442 operativ behandelten, extrakraniellen Schwannomen [8].