JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2017; 06(06): 226-227
DOI: 10.1055/s-0043-120216
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Krux mit den Teams

Heidi Günther
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Publication Date:
07 December 2017 (online)

Nicht jeder, der mit an einem Strang zieht, zieht in die gleiche Richtung.

(Oliver Tietze (*1965), deutscher Aphoristiker)

In fast jedem Stellenangebot ist eine der führenden Forderungen der neue Mitarbeiter suchenden Firmen die Teamfähigkeit. Dann kommen natürlich fachliche Qualifikationen und bestenfalls noch Flexibilität dazu. Aber die Hauptsache scheint der Kollektivismus zu sein. Man könnte geradezu annehmen, dass der gemeine Arbeitgeber sich vor Individualisten ängstig. Der Begriff „Team“ aus dem Englischen – wie sollte es auch anders sein – wird in unserer Zeit schon fast inflationär gebraucht. Man könnte es auch Abteilung, Vereinigung, Mannschaft, Kollegium oder, wenn man es böse ausdrücken möchte, auch Bande, Milieu oder Klüngel nennen. Es gibt übrigens 183 Synonyme für das Wort Team. Und natürlich sind wir in unseren Krankenhäusern, auf unseren Stationen weit weg davon, einem Klüngel oder einer Bande anzugehören. Dennoch ist das „Team“ offensichtlich zum Fetisch der modernen Arbeit geworden und wird beschworen, wann immer es möglich ist. Ein Team wird von einem Teamleiter zusammengehalten, das Team bestehend aus Teamplayern wird in Teamwork zu Höchstleistungen gebracht. Oder auch nicht. Dabei ist, wenn auch das Wort „Team“ modern ist, die gemeinsame Arbeitsweise keine Erfindung der Jetzt-Zeit und auch nicht nur dem Menschen vorbehalten. Ich denke da nur an Ameisen oder die putzigen Erdmännchen. Bei denen einer für alle Wache hält.

Da fällt mir ein, auch die Musketiere waren, wenn auch Romanfiguren, aber immerhin ein Team mit einem Slogan, für den jede Werbeagentur lange brüten müsste: „Einer für alle, alle für einen.“

Seit mehr als 20 Jahren leite ich Teams. Mal waren es größere Arbeitsgruppen, mal kleinere. Und immer wieder stelle ich fest, dass Teamfähigkeit sicherlich ein nicht zu unterschätzender Faktor ist. Aber es ist nicht alles. Zumal ja die Schwierigkeit bei Einstellung eines neuen Kollegen darin besteht, in sehr kurzer Zeit gewisse menschliche Qualitäten zu entdecken und dann zu entscheiden, ob es zwischen dem Bewerber und der Station auch passen könnte. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Bewerber sich zwar für fachlich kompetent, aber wenig teamfähig hält. Gut, in unserem Beruf ist es ja quasi unmöglich, nicht in einem Team arbeiten zu müssen. Vielleicht bei einer Krankenschwester auf einer Hallig in der Nordsee. Aber selbst die muss mit irgendwelchen Ärzten und Therapeuten zusammenarbeiten, wenn auch vielleicht nur übers Telefon. Also sieht es in unserem Beruf schlecht aus für Einzelgänger und Eremiten.

Fest steht aber auch, dass der Begriff „Team“ von vielen verschiedenen Menschen unterschiedlich interpretiert wird. Da sind die schon fast fanatischen, die ein Team als Familienersatz sehen. Nein, das Arbeitsteam ist nicht meine Familie. Ich habe, wie jeder von uns, schon eine Familie und diese hat ganz gewiss nichts mit der täglichen Arbeit zu tun. Dann gibt es Menschen/Kollegen unter uns, die fühlen sich wohl, um nicht zu sagen zu wohl in einem Team. Sie ziehen sich aus der Verantwortung heraus, machen das Nötigste, lassen andere machen und sonnen sich dann im Erfolg der Gruppe. Sollte etwas schieflaufen oder nicht so klappen, sind sie es nicht gewesen. Das ist auch nicht im Sinne des Erfinders. Am unliebsten sind mir aber Kollegen, die alles mitnehmen, was ein gutes Team an sozialer Kompetenz, Freundlichkeit und Miteinander zu bieten hat. Die ihre Kollegen ausnutzen und sich schlimmstenfalls auch noch darüber freuen, wie sie andere ausgenutzt haben. Auf solche Kollegen kann ich gut und gern verzichten – und das tue ich auch. Es gibt wenig, was ich an Mitmenschen und speziell an Kollegen nicht toleriere. Aber Egoismus und Illoyalität gehören unbedingt dazu. In meinem Privatleben würde ich mich überhaupt nicht mit solchen Menschen abgeben. Aber bei Kollegen kommt man ja oft nicht drum herum. Schön ist es immer zu erleben, wie gerade solche Kollegen, wenn Kritik an ihrem Teamverständnis geäußert wird, aus allen Wolken fallen, sich völlig missverstanden fühlen und gar nicht verstehen können, wie es zu diesem Eindruck kommen konnte. Und, da es bei solchen Kollegen mit der Kritikfähigkeit und der Reflexion der eigenen Person oft mehr als mau aussieht, verfehlen solche Gespräche oft ihr Ziel.

Ich habe gern ein Team, in dem alle mitreden, gern auch diskutieren, in dem es offen und fair zugeht. Es soll gelacht werden können. Es muss eine gewisse Verlässlichkeit und Vertrauen herrschen. Wir müssen nicht befreundet miteinander sein. Aber ein bisschen Toleranz und Respekt dem anderen gegenüber schadet nie, um ein gutes Arbeitsklima zu schaffen und zu erhalten. Und: In einem Team ist es ein Geben und Nehmen. Auch, wenn das „nur“ unser Arbeitsplatz ist. Machen wir uns doch nichts vor. Wir verbringen ein Drittel unseres Tages und einen Großteil unseres Erwachsenenlebens dort und wollen es doch alle so schön wie möglich haben. Und da ist der gemeinsame Strang, an dem gezogen werden sollte, schon sehr hilfreich. Und noch besser ist es, wenn alle in die gleiche Richtung ziehen.

In diesem Sinne, Ihre

Heidi Günther