Z Gastroenterol 2017; 55(12): 1533-1534
DOI: 10.1055/s-0043-120533
Mitteilungen der Gastro-Liga
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neues aus der Viszeralchirurgie bei der Viszeralmedizin 2017

Further Information

Publication History

Publication Date:
06 December 2017 (online)

Vom 13. bis 16. September 2017 fand unter dem Titel „Viszeralmedizin 2017“ zum 11. Mal die gemeinsame Jahrestagung der DGVS und der DGAV in Dresden statt. In das viszeralchirurgische Programm war zum 2. Mal die Jahrestagung der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Coloproktologie integriert.

In einer Vielzahl von interdisziplinären Sitzungen wurden vor allem Themenfelder diskutiert, in denen sich je nach Blickwinkel konservative, endoskopisch-interventionelle und operative Therapieoptionen anbieten. Hier seien vor allem genannt Cholezystitis, Appendizitis und Divertikulitis, das Notfallmanagement von Ösophagus-, Duodenal- oder Kolonperforation, die Therapie der chronischen Refluxerkrankung und der Achalasie, der Umgang mit zystischen Pankreasläsionen sowie die risikoadaptierte Behandlung von prämalignen oder frühmalignen Schleimhautveränderungen am oberen und unteren GI-Trakt. In allen diesen Sitzungen, in denen durchaus kontrovers diskutiert wurde, war gleichzeitig jedoch mit Händen zu greifen, dass sich Gastroenterologen und Viszeralchirurgen mit ihrem jeweiligen Therapieangebot mehr und mehr als Partner mit komplementären Therapieangeboten verstehen, und dass es eine grundsätzlich interdisziplinäre Entscheidungsfindung geben sollte, um den Patienten auf die persönliche Situation zugeschnittene Therapievorschläge zu unterbreiten.

Kernthemen des viszeralchirurgischen Kongressprogramms waren Weiterentwicklungen in der minimal-invasiven Chirurgie, Qualitätssicherung und in diesem Zusammenhang auch die Diskussion um die Anwendung von Mindestmengenregelungen in der komplexen Viszeralchirurgie, chirurgische Infektiologie, bariatrische Chirurgie und proktologische Themen wie Inkontinenz, Stuhlentleerungsprobleme und Lebensqualität nach kolorektalen Resektionen.

Die laparoskopische Chirurgie ist unverändert, um nicht zu sagen umfassend und vehement auf dem Vormarsch. Die technische Durchführbarkeit ist mittlerweile für nahezu jeden komplexen Eingriff nachgewiesen. So wurde u. a. aus der Lübecker Arbeitsgruppe ein Video einer erweiterten Whippleʼschen Operation mit Pfortaderresektion und -rekonstruktion vorgestellt. Erkennbar werden auch die zunehmenden Aktivitäten in der roboterassistierten Chirurgie. Arbeitsgruppen in Bochum, Kiel und Dresden, um nur einige zu nennen, haben mittlerweile ansprechende Erfahrungen in der robotischen Chirurgie des Rektum-, Ösophagus-, Magen- und Pankreaskarzinoms gesammelt. Somit ist die technische Machbarkeit bewiesen. Ob sich durch die Anwendung tatsächlich sowohl im frühen postoperativen als auch im Langzeitverlauf signifikant bessere funktionelle und onkologische Ergebnisse erzielen lassen, können die derzeit abgeschlossenen internationale Studien nur in Einzelparametern andeuten. Das Thema wird aber die Ära der minimalinvasiven Chirurgie über die nächsten Jahre hinweg ganz wesentlich prägen.

Infektionen im viszeralchirurgischen Patientengut, vor allem im Sinne einer primären oder sekundären Peritonitis, stellen unverändert eine große Herausforderung dar. Stadiengerechte, der Individualsituation angemessene Maßnahmen, wie interventionelle Drainagen, mehr und mehr endoskopische Vacuumtherapie bei Anastomoseninsuffizienzen am oberen und unteren GI-Trakt, aber natürlich auch Relaparotomien mit abdomineller Lavage, aber nicht mehr als Etappenlavage, sondern nur mehr als „On-Demand-Lavage“ sowie die Behandlung des „Open Abdomen“ spielen dabei die Hauptrolle. Die Gesamtsituation im viszeralchirurgischen Patientengut wird nicht zuletzt durch die demografische Entwicklung und den unkritischen Einsatz von Antibiotika aggraviert, wodurch eine signifikante Zunahme der Zahl an Patienten mit isolierpflichtigen Keimen zu verzeichnen ist. Eine große und vor allem Ressourcen verschlingende Herausforderung für die Zukunft!

Die DGAV hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Qualitätssicherung beschäftigt. In diesem Zusammenhang wurden mit einem eigenen Zertifizierungssystem und auf der Plattform „StuDoq“ wertvolle Daten zur Versorgungsrealität u. a. bei der Sigmadivertikulitis, beim kolorektalen Karzinom und in der Adipositaschirurgie generiert. Herausragende Vorteile des eigenen Systems sind die Risikoadjustierung und auch die zukünftige Verfügbarkeit eines Risikorechners, der es im Vorfeld einer geplanten Operation erlaubt, das individuelle Risiko des Patienten zuverlässig zu bestimmen.

Das Thema der Mindestmengen in der komplexen Viszeralchirurgie wird auf Druck der Politik und der Kostenträger mit der Zielrichtung der Qualitätsverbesserung zunehmend scharf geschaltet. Man darf davon ausgehen, dass Leistungserbringer, die sich in der Pankreas-, Ösophagus- und Transplantationschirurgie unterhalb festgelegter Schwellen bewegen, in Zukunft keine Leistungsvergütung mehr erhalten.

Die Adipositaschirurgie kämpft insbesondere noch auf der Ebene der Kostenträger und des MDKs um die ihr zustehende Anerkennung. Viele Zentren sind aufgrund der zeitintensiven und fachlich in Teilen nicht nachvollziehbaren Genehmigungsverfahren dazu übergegangen, ohne Kostenzusage Operationen durchzuführen, sofern die Indikation innerhalb der gültigen S3-Leitlinie gestellt wurde. Spannend bleibt auch zu sehen, wie sich die Adipositaschirurgie vor allem in der Behandlung des Diabetes mell. Typ 2 als effektive metabolische Chirurgie etabliert.

Die in den Kongress integrierte Jahrestagung der CACP griff mit Themen wie Sakralnervenstimulation (SNS) und magnetische Sphinkteraugmentation neue Behandlungsoptionen der Inkontinenz auf. Darüber hinaus aber auch Fragen zur Lebensqualität nach kolorektalen Eingriffen.

Informationen zum Autor

Prof. Dr. Matthias Anthuber studierte von 1979 bis 1985 Humanmedizin an der LMU München. Anschließend begann er seine Weiterbildung als Assistenzarzt an der Herzchirurgischen und Chirurgischen Klinik am Klinikum Großhadern. Mit seinem Wechsel an die Klinik und Poliklinik für Chirurgie der Universitätsklinik Regensburg begann er zunächst als Oberarzt und wurde später zum leitenden Oberarzt und kommissarischen Direktor ernannt. Von 2003 bis 2004 war er als Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie an der Kreisklinik Altötting tätig. Seit 2004 ist er Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Klinikum Augsburg. Sein wissenschaftliches Interesse gilt onkologischen Eingriffen, der minimalinvasiven Chirurgie und der Transplantationschirurgie.

Prof. Dr. Matthias Anthuber
Direktor
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und
Transplantationschirurgie
Klinikum Augsburg
Stenglinstr. 2
86 156 Augsburg