Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(24): 1869-1874
DOI: 10.1055/s-0043-120743
Mitteilungen der DGIM
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

124. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. vom 14. bis 17. April 2018 im Congress Center Rosengarten, Mannheim - Grußwort des Kongress-Präsidenten

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Publication Date:
05 December 2017 (online)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die 124. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin steht unter dem Leitthema

„Innere Medizin – Medizin für den ganzen Menschen“.

Mit diesem Leitthema – es ist ein Ausspruch von Professor Walter Siegenthaler – soll verdeutlicht werden, dass trotz erfolgreicher Spezialisierung in den Schwerpunkten der Inneren Medizin es der holistische Zugang zu den uns anvertrauten Patienten ist, der unsere Diagnostik und Therapie leiten soll. Dies ist deshalb von Bedeutung, da wir immer mehr chronisch kranke Menschen betreuen, bei denen eine Restitutio ad integrum meist nicht möglich ist. Bei parallel existierenden chronischen Leiden ist die Progredienz individuell verschieden und unser therapeutisches Vorgehen deshalb je nach Krankheit ganz unterschiedlich.

Der demografische Wandel ist als Begriff in aller Munde. Besser spricht man jedoch von der demografischen Chance. Dies deshalb, weil es heutzutage mehr Regel als Ausnahme ist, ein hohes Alter erreichen zu können. Hierzu hat die rasante Entwicklung des medizinischen Wissens wie auch des therapeutischen Armamentariums viel beigetragen. Den Tribut, den wir dafür bezahlen, ist ein meist paralleles Vorhandensein mehrerer, häufig chronischer Krankheiten (Multimorbidität) mit einer begleitenden Polypharmazie und ihren spezifischen Herausforderungen. Die klassische evidenzbasierte Medizin (EBM) kommt hier an ihre Grenzen; zumindest dann, wenn neben Studienresultaten und daraus abgeleiteten Leitlinien nicht auch die Erfahrung des Arztes und die Patientenpräferenz in die Entscheidungen mit einbezogen werden. Der betagte Mensch hat meist auch andere Ziel- und Zeitperspektiven, die es zu berücksichtigen gilt. Klinische Endpunkte sind dann neben dem Überleben auch mehr der Erhalt der Funktionalität und damit der Selbstständigkeit. Die Einteilung der Krankheiten nach ICD (International Classification of Diseases) ist aus Sicht der Betroffenen zukünftig sicherlich mehr durch diesen funktionellen Aspekt zu ergänzen. Dieser wird beim ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) berücksichtigt, der der sozialen Teilhabe einen wichtigen Teilaspekt zuschreibt. Gerade hier greift auch die Initiative „Klug entscheiden“ der DGIM, da sie Fragen zur Über-, aber eben auch Unter- und Fehlversorgung in den einzelnen Schwerpunkten der Inneren Medizin adressiert und über die kommenden Jahre auch weiter beleuchten wird.

Nicht antipodisch, aber erfreulich ergänzend haben sich die therapeutischen Möglichkeiten sowohl im konservativen wie interventionellen Bereich in den letzten Jahren rasch weiterentwickelt. Hier zeigen sich immer mehr größere Schnittmengen zu den klassischen operativen Fächern: durch minimal-invasive Verfahren mit erstaunlichen technologischen Innovationen.

Organzentren suchen daher auch den Schulterschluss mit verschiedenen Fächern; weit über die Innere Medizin hinaus. Beim Kongress soll ein spezieller thematischer Fokus auf der Interaktion mit der Neurologie liegen, da sich gerade bei der Therapie älterer Menschen mit diesem Fach viele fachliche Kontakte bedingen. Bei der Betreuung von Menschen mit chronischen Leiden – über alle Altersgruppen hinweg – braucht es auch ein multidisziplinäres Team. So sind wir als Internisten immer mehr Teil fein austarierter Versorgungssysteme, in denen Interdisziplinarität erst zielführend im Sinne der Patientenpräferenzen ist. Hierzu ist eine Verstärkung der Versorgungsforschung notwendig, da Versorgungsstrukturen einen starken lokalen Faktor besitzen, für den internationale Erfahrungen nur partiell übernommen werden können. Hierbei ergibt auch die Akademisierung vieler Berufsgruppen im Gesundheitswesen neue Fokussierungen und Chancen. Innerhalb dieser Zusammenarbeit wird die sich rasch entwickelnde Digitalisierung der Medizin ein wichtiges Bindeglied sein.

Die Ernährung ist neben körperlicher Aktivität und Sozialkontakten eines der drei Standbeine, die die Lebenserwartung mitbestimmen. In einer Zeit, in der Nahrung bei uns praktisch immer und überall verfügbar ist, ergeben sich in Bezug auf die Nahrungszusammensetzung wichtige Fragen, respektive Interventionsoptionen. Der raschen Zunahme übergewichtiger Menschen – immer mehr auch Kinder und Jugendliche – steht die hohe Zahl betagter Menschen mit einer Unter- und Fehlernährung gegenüber. Gerade bei dieser Bevölkerungsgruppe ist aber der Verlust von Körpermasse – dabei allen voran Muskelmasse – mit abnehmender Funktionalität und dem sogenannten „Frailty-Syndrom“ verbunden. Das Spektrum der Ernährungsmedizin soll beim Jahreskongress 2018 deshalb ein spezieller Fokus sein.

Freund oder Feind – die konstante immunologische Auseinandersetzung mit unserer Umgebung und uns selbst ist konfliktträchtig. Die uns besiedelnden Mikrorganismen, die Infektionskrankheiten, aber auch alle inflammatorischen Systemerkrankungen bis hin zu den Allergien betreffen alle Bereiche der Inneren Medizin. Fundamentale neuere Erkenntnisse in diesen Bereichen gehören zu den großen Erfolgen sowohl in der Diagnostik als auch der Therapie der modernen Medizin.

Die Hauptthemen des Kongresses umfassen:

  • Chronische Krankheiten und EBM (Trias-Studien, Arzterfahrung und Patientenpräferenzen)

  • Multimorbidität und Polypharmazie

  • Internisten als Teil interdisziplinärer Teams

  • Rehabilitation als Bindeglied zu sozialer Teilhabe

  • Bakterien, Viren und Co – von der friedlichen Koexistenz zur tödlichen Bedrohung

  • Das Gehirn: Schaltstelle zwischen Neurologie und Innerer Medizin

  • Im Netz verfangen – Systemerkrankungen des Immunsystems

  • Eure Nahrung sei eure Medizin

  • Mikrobiom: Der Darm lebt und lenkt

  • Versorgungsstrukturen – Versorgungsforschung