Sportphysio 2018; 06(01): 50-52
DOI: 10.1055/s-0043-123860
Notes
Veranstaltungsberichte
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4. Jahrestreffen des OSINSTITUTs in München

Therapie und Return to Sport bei HWS-Problemen, die Rolle des Noceboeffekts und Networking in gemütlicher Runde – das war das Jahrestreffen 2017
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
09. Februar 2018 (online)

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Oliver Schmidtlein zum Thema „Manuelle Techniken und aktive Therapie bei HWS-Problemen“ (Quelle: OSINSTITUT)
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OSI-Dozentin Katharina Spermann (Mitte) im Austausch mit den Teilnehmern des 4. Jahrestreffens (Quelle: OSINSTITUT)

Ende Juni des letzten Jahres war es wieder so weit: Die OSCOACHES fanden sich zum 4. Jahrestreffen traditionell in München zusammen. Zum ersten Mal hatten „Externe“ die Chance, an dem Treffen teilzunehmen. Matthias Keller und Oliver Schmidtlein begrüßten die Teilnehmer und präsentierten anschließend Neuigkeiten rund um das OSINSTITUT. Dabei erhielten die Teilnehmer einen Überblick zu aktuellen Kooperationen mit diversen Bundesligavereinen und hörten, dass man im nächsten Jahr die Seminare des OSINSTITUTs bei Borussia Dortmund und als Kompaktseminar beim 1. FC Köln besuchen kann.

Return to Activity Algorithmus (RTAA) Das OSINSTITUT ist an einer Reihe von Forschungsprojekten beteiligt. Eduard Kurz präsentierte die gewonnenen Erkenntnisse aus den verschiedenen Untersuchungen. Zum Beispiel ging man der Frage nach, ob die einzelnen Sprungtests des RTAA der unteren Extremität ähnliche Eigenschaften abfragen und damit vielleicht gar nicht alle Hop-Tests eingesetzt werden müssen. Die Ergebnisse zeigten, dass es tatsächlich eine moderate Korrelation zwischen den Tests gibt, wenn man die Leistungen sowohl des dominanten als auch des nicht dominanten Beins in den einzelnen Hop-Tests vergleicht. Dieses Ergebnis bestätigte sich jedoch nicht für den Limb Symmetry Index (LSI). Der LSI beschreibt den Seitenunterschied des nicht dominanten Beins zum dominanten Bein bei den Sprungtests in Prozent. Vergleicht man die Ergebnisse des Limb Symmetry Index bei den einzelnen Hop-Tests, dann zeigt sich keine Korrelation zwischen den einzelnen Tests. Fazit: Jedes Level misst eine andere motorische Fähigkeit, was den Einsatz der Tests für den RTAA bekräftigt. Es sollten dementsprechend alle Tests in der Praxis durchgeführt werden.

HWS motorisch kontrollieren Christine Hamilton, gebürtige Australierin aus Erlangen, ist Mitglied der Joint Stability Research Unit und thematisierte die vielfältigen Ursachen nackenassoziierter Beschwerden (NAB). In Bezug auf Schwindelproblematiken nannte sie unter anderem die Rolle der Kinästhesie, das Skapula-Setting sowie die Gleichgewichtsfähigkeit als relevante Ansatzpunkte. Hands-on-Techniken steht sie kritisch gegenüber, da sie oft nur eine kurzfristige Symptomlinderung bringen. Dabei verwies sie immer wieder auf die Wichtigkeit der motorischen Kontrolle der HWS. Besonders wichtig sei auch die Einstellung des Patienten gegenüber der Therapie. Diese müsse positiv sein, um einen Therapieerfolg erreichen zu können. Ist dies nicht der Fall, riet Hamilton den Teilnehmern erst einmal zu einem edukativen Ansatz in Kombination mit allgemeinen unspezifischen Übungen.

Das Thema HWS vertiefte Matthias Keller mit einem Patientenbeispiel. Darin ging es um eine ambitionierte Hobbytänzerin, die vor allem bei schnellen Kopf- und Halsbewegungen Nackenbeschwerden bekam. Folgende Punkte waren bei der Untersuchung auffällig: schlechte Bewegungskontrolle der HWS bei der aktiven Bewegungsprüfung, reduzierte Ausdauer beim kraniozervikalen Flexionstest, eine veränderte Schulterposition sowie ein veränderter skapulothorakaler Rhythmus. Keller betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Skapula und der Brustwirbelsäule als Basis für eine gute HWS-Kontrolle. Folglich standen bei den korrigierenden Strategien auch Übungen für die Positionierung der Skapula auf dem Programm. Er zeigte einen systematischen Aufbau für das Erarbeiten des Skapula-Settings und die Aktivierung der tiefen Nackenflexoren. Nach sechs Wochen intensiver Therapie konnte die Patientin wieder beschwerdefrei tanzen.

Manuelle Techniken zur HWS-Behandlung zeigte Oliver Schmidtlein. Schmidtlein legte den Fokus auf Muskeltechniken wie die Behandlung des M. trapezius pars descendens und des M. sternocleidomastoideus. Bei diesen therapeutischen Griffen bezog er sich immer wieder auf Patientenbeispiele aus der Praxis und erzählte spannende Details aus seiner langjährigen Erfahrung als Therapeut. Kritisch merkte er an, dass eine „Faszienrolle“ oder ein „Triggerball“ noch keine adäquate Therapie darstellt. Ein gründlicher Befund und ein gezielter Einsatz von Techniken und Hilfsmitteln müssten immer im Vordergrund stehen und mit einer aktiven Therapie kombiniert werden.

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Matthias Keller (rechts) beim Networking in gemütlicher Runde (Quelle: OSINSTITUT)

Return to Sport und die Psyche der Sportler Ein weiterer Gastredner war Dr. Stefan Mattyasovszky, Wirbelsäulenchirurg und Mannschaftsarzt vom 1. FSV Mainz 05. In seinem Vortrag berichtete er über die Schwierigkeiten, objektive Kriterien für die Entscheidung des „Return to Sport“ zu finden. Der Mannschaftsarzt bestätigte, dass es aktuell wenig Evidenz zu diesem Thema gibt. Vielmehr seien subjektive Kriterien wie Schmerzfreiheit, Belastbarkeit der Struktur und die vollständige Funktionsfähigkeit zu beachten. Gleichzeitig erinnerte er die Teilnehmer daran, bei der Return-to-Sport-Entscheidung stets die Psyche des Sportlers im Blick zu haben.

Dr. Magnus Haier, Neurologe, Journalist, Buchautor und letzter Redner des Tages, widmete sich dem Thema Noceboeffekt. „Wer‘s glaubt, wird gesund oder krank, glücklich oder satt, schmerzfrei oder klug.“ Diese Aussagen untermauerte Haier mit spannenden und anschaulichen Fällen. Ein simples Beispiel ist der Effekt beim Lesen von Beipackzetteln: Lese man die Nebenwirkungen, sei die Wahrscheinlichkeit, wirklich unter diesen zu leiden, um einiges höher, als hätte man den Zettel nicht gelesen. Matthias Keller zog in der Diskussion nach diesem Vortrag über die Täuschung des Gehirns auch Rückschlüsse auf die Kommunikation mit Patienten. „Der Vortrag von Herrn Dr. Magnus Haier hat mich in meiner Arbeitsweise bestätigt. Ich versuche, bei Patienten bewusst Worte wie ‚Schmerz‛, ‚Verschleiß‛ oder ‚Defekt‛ zu vermeiden, wenn ich eine Anamnese durchführe oder mich nach ihrem Zustand erkundige, um diese nicht im Vorfeld zu triggern.“

Für das kulinarische Wohl der Teilnehmer sorgte wie in den letzten Jahren Holger Stromberg, der ehemalige Mannschaftskoch der deutschen Fußballnationalmannschaft. Die unterhaltsamen und leckeren Pausen in München dienten dem Networking aller Mitwirkenden. Wir freuen uns auf das Treffen mit Ihnen, liebe Sportphysio-Leser, am 29.6.2018 in München zum 5. Jahrestreffen des OSINSTITUTs. Das Treffen steht unter dem Motto „Verletzungsprävention im Wandel“. Dazu sind hochklassige Referenten wie Dr. Werner Krutsch, Dr. Mario Bizzini, Mathias Kolodziej und Hape Meier eingeladen. Weitere Informationen unter www.osinstitut.de

Patrick Lotz, OSCOACH seit 2015