Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(06): 750-751
DOI: 10.1055/s-0043-1768863
Abstracts | BGGF & OEGG 2023
Freie Vorträge
Operative Gynäkologie/Urogynäkologie/Endokrinologie & Reproduktionsmedizin

Was tun, wenn alles fehlschlägt? Gracilis-Lappen und partielle Kahr-Kolpokleisis bei Beckenorganprolaps nach anteriorer Exenteration – ein Fallbericht mit Literaturübersicht

Authors

  • G L Carlin

    1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität/AKH Wien, Wien
  • S Lange

    1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität/AKH Wien, Wien
  • H Fajkovic

    2   Universitätsklinik für Urologie, Medizinische Universität Wien, Wien
  • W Haslik

    3   Universitätsklinik für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie, Medizinische Universität Wien, Wien, Österreich
  • E Hanzal

    1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität/AKH Wien, Wien
 

Einleitung Die anteriore Exenteration ist eine radikale chirurgische Option bei lokal fortgeschrittenem Beckenkrebs, wenn andere Behandlungen versagen oder ungeeignet sind: durch eine en-bloc Resektion der unteren Harnwege, der weiblichen Geschlechtsorgane und Teilen des Rektosigmoids kann eine vollständige Resektion des Krebses erreicht werden. Da es sich um einen oblitivierenden Eingriff handelt, kann es zu Störungen der Statik des Beckenbodens und damit zu einem Beckenorganvorfall (BOP) kommen. Die Behandlungsoptionen für einen Prolaps sind im Allgemeinen konservativ, eine Operation kann jedoch erforderlich werden.

Wir präsentieren einen Fall einer nativen Gewebereparatur eines Vaginalprolapses nach anteriorer Exenteration und zwei fehlgeschlagenen Versuchen von Le Fort-Kolpokleisis. Ziel war es, eine operative Behandlungsoption für BOP nach anteriorer Exenteration und eine Zusammenfassung der zum Thema publizierten Literatur vorzustellen.

Material und Methodik Eine 70-jährigen Frau stellte sich mit BOP nach anteriorer Exenteration aufgrund eines lokal fortgeschrittenem Blasenkrebs und zwei fehlgeschlagenen Versuchen von Le Fort-Kolpokleisis vor. Der Situs wurde weiters durch eine Manschettenruptur kompliziert. Bei der klinischen Untersuchung wurde eine dünne Vaginalwand festgestellt und ein POP-Q-Score von Aa +3, Ba +6, C +6, gh 5, pb 3, tvl 10, Ap -1, Bp -1 bei intaktem Levator Ani Muskulatur (Oxford-Skala 3/5) erhoben.

Die Operation wurde von einem interdisziplinären Team bestehend aus einem Urogynäkologen, einem Urologen und einem plastischen Chirurgen durchgeführt. Initial wurde eine Laparotomie durchgeführt, um Beckenadhäsionen, die Vaginalmanschette, die Beckenfaszie und ein mögliches Wiederauftreten des Tumors zu beurteilen. Da die Vaginalmanschette mit Omentum bedeckt war, wurde sie auf vaginalem Weg eröffnet und nach Resektion der apikalen Vagina wurde ein Gracilis-Lappen angelegt, der den Levatorhiatus Z-förmig abdeckte ([Abb. 1]). Abschließend wurde eine partielle Kahr-Kolpokleisis durchgeführt. Das Operative Endresultat ist auf [Abb. 2] zu sehen.

Zoom
Abb. 1  Gracilis-Lappen, welcher den Levatorhiatus Z-förmig abdeckt.
Zoom
Abb. 2  Operatives Endergebnis.

Für die Literaturrecherche wurden mehrere Datenbanken (PubMed, Cochrane Library und Ovid MEDLINE) eingehend durchsucht. Als Suchbegriffe wurden die häufigsten klinischen Präsentationen und verschiedene chirurgische Behandlungen gewählt. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse wird hier ebenfalls präsentiert.

Ergebnisse Der stationäre Verlauf der Patientin war komplikationslos und sie wurde am 6. postoperativem Tag entlassen. Die postoperativen Nachsorgekontrollen nach einem und drei Monate zeigten gute anatomische Ergebnisse ([Abb. 3]) bei hoher Patientinnen-Zufriedenheit. Während des 9-Monats-Follow-up-Telefonats berichtete die Patientin über allgemeine Zufriedenheit und keine Schmerzen. Der einjährige Folgebesuch wird bei Publikation erfolgt sein.

Zoom
Abb. 3  Situs bei der Kontrolle nach einem Monat.

Die Durchsicht der Literatur ergab einige Fallserien zu diesem Thema: eine mit 5 Patientinnen [1], die anderen mit 2 [2] und 3 Fällen [3]; und 8 individuelle Fallberichte [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11]. Die Behandlungsoptionen reichten von der konservativen Behandlung mit ggf. sekundärer Operation bis zum primären chirurgischen Eingriff [3]. Nativgewebereparaturen [4] [8] und Rekonstruktionen mit Mesh [2] [5] [6] [7] [9] wurden beide mit zufriedenstellenden Ergebnissen beschrieben [1]. Ein Fallbericht von Barnhill et al. aus dem Jahr 1985 erwähnte ebenfalls einen Gracilis-Lappen, jedoch war kein vollständiger Text verfügbar, sodass keine weiteren Kommentare oder Vergleiche gestellt werden können [11].

Zusammenfassung Unseres Wissens ist dies der erste berichtete Fall eines Gracilis-Lappens mit partieller Kahr-Kolpokleisis bei totalem BOP nach anteriorer Exenteration. Literatur zur optimalen Behandlung von BOP nach anteriorer Exenteration ist rar und besteht hauptsächlich aus Fallberichten. Es lässt sich jedoch zusammenfassen, dass so komplexen Fälle am besten in multidisziplinären Teams gelöst werden.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. Juni 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany