Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(06): 755-757
DOI: 10.1055/s-0043-1768871
Abstracts | BGGF & OEGG 2023
Freie Vorträge
Gynäkologische Onkologie

Kolposkopische Genauigkeit in der Detektion von zervikalen intraepithelialen Neoplasien

Authors

  • F A Stübs

    1   Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Comprehensive Cancer Center Erlangen–European Metropolitan Area of Nuremberg (CCC ER-EMN), Erlangen
  • A K Dietl

    1   Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Comprehensive Cancer Center Erlangen–European Metropolitan Area of Nuremberg (CCC ER-EMN), Erlangen
  • A Behrens

    1   Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Comprehensive Cancer Center Erlangen–European Metropolitan Area of Nuremberg (CCC ER-EMN), Erlangen
  • W Adler

    2   Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Medizininformatik, Biometrie und Epidemiologie, Erlangen
  • C Geppert

    3   Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Pathologie, Comprehensive Cancer Center Erlangen–European Metropolitan Area of Nuremberg (CCC ER-EMN), Erlangen
  • A Hartmann

    3   Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Pathologie, Comprehensive Cancer Center Erlangen–European Metropolitan Area of Nuremberg (CCC ER-EMN), Erlangen
  • A Knöll

    4   Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Virologisches Institut – Klinische und Molekulare Virologie, Erlangen
  • M W Beckmann

    1   Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Comprehensive Cancer Center Erlangen–European Metropolitan Area of Nuremberg (CCC ER-EMN), Erlangen
  • G Mehlhorn

    3   Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Pathologie, Comprehensive Cancer Center Erlangen–European Metropolitan Area of Nuremberg (CCC ER-EMN), Erlangen
  • C E Schulmeyer

    1   Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Comprehensive Cancer Center Erlangen–European Metropolitan Area of Nuremberg (CCC ER-EMN), Erlangen
  • M C Koch

    5   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, ANregiomed gKU/AöR, Ansbach
  • P Gaß

    1   Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Comprehensive Cancer Center Erlangen–European Metropolitan Area of Nuremberg (CCC ER-EMN), Erlangen
 

Einleitung Zervixkarzinome gehören weltweit zu den häufigsten Karzinomen der Frau [1] [2]. Zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN) und invasive Zervixkarzinome entstehen durch eine persistierende Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) [3]. Die Inzidenz und Mortalität ist in den westlichen Industrieländern seit Einführung von Vorsorgeprogrammen deutlich gesunken [2]. Im Januar 2020 wurde in Deutschland ein organisiertes Programm zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs eingeführt [4]. Zentraler Bestandteil des Früherkennungsprogramms ist bei Zytologischen Auffälligkeiten und/oder positiven HPV-Test die Abklärungskolposkopie [4]. Die Kolposkopie stellt den Goldstandard in der Detektion von CIN und Zervixkarzinomen dar [5]. Die Kolposkopie ist eine einfache und kostengünstige und effektive Methode in der Diagnostik von CIN und Zervixkarzinomen. Die Daten in der Literatur zur Kolposkopie sind allerdings sehr heterogen. Es gibt in der Literatur unterschiedliche Daten von Sensitivität (30-90%) und Spezifität (44-97%) für die Kolposkopie [6] [7] [8]. Es gibt Daten in der Literatur, die angeben, dass bis zu 30% aller CIN in der Kolposkopie übersehen werden [9]. Es gibt verschieden Variablen, die die Genauigkeit der Kolposkopie beeinflussen können: Typ der Transformationszone, Alter der Patientin oder Erfahrung des Untersuchenden. In der vorliegenden Arbeit wurde die Korrelation zwischen Einschätzung des Untersuchenden (Findings) und der Histologie verglichen.

Material und Methodik Es wurden alle Patientinnen, die nach einer Kolposkopie der Zervix eine Biopsie erhalten haben und/oder bei denen eine exzidierende Operation (z.B. Konisation oder Hysterektomie) durchgeführt worden ist, eingeschlossen. Patientinnen ohne Biopsie, die mit einem abladierenden Verfahren behandelt wurden, wurden ausgeschlossen ([Abb. 1]). Die Einteilung der kolposkopischen Befunde erfolgte nach der 2011 Klassifikation der International Federation for Cervical Pathology and Colposcopy (IFCPC) in: „normal“, „unspezifisch“, „verschiedene Befunde“ abnormal: „minor“, „major“ und „Verdacht auf Invasion“. Die kolposkopischen Eindrücke „normal“, „unspezifisch“ und „verschiedene Befunde“ wurde mit einer gutartigen Histologie korreliert. Der Eindruck „minor“ mit der Histologie „CIN I/LSIL“ und der Eindruck „major“ mit der Histologie „CIN II/CIN III/AIS/HSIL“ korreliert. Der kolposkopische Eindruck „Verdacht auf Invasion“ wurde mit der Histologie „Karzinom“ korreliert. Die statistische Auswertung erfolgte mittels Spearman-Korrelationskoeffizient. Es wurde die Sensitivität, Spezifität, der positive prädiktive Wert (PPV) und negative prädiktive Wert (NPV) ermittelt.

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Abb. 1  Flussdiagramm.

Ergebnisse Zwischen Januar 2015 und Mai 2022 wurden in der zertifizierten Dysplasie-Einheit des Universitätsklinikum Erlangen 11.086 Kolposkopien der Zervix durchgeführt. In 4778 Kolposkopien an 4001 Frauen wurde eine Biopsie und/oder eine exzidierende Operation durchgeführt. In 1008 Fällen war der kolposkopische Eindruck „normal“, in 1044 Fällen „minor“, in 2550 Fällen „major“ und in 176 Fällen bestand der Verdacht auf eine Invasion. Die Histologie ergab in 939 Fällen einen gutartigen Befund, in 1161 Fällen eine CIN I/LSIL, in 2511 Fällen eine CIN II/CIN III/AIS/HSIL und in 167 Fällen ein Karzinom ([Tab. 1]). Die Übereinstimmungsrate für gutartige Befunde war 52,3%, für CIN I/LSIL 48,3%, für CIN II/CIN III/AIS/HSIL 73,9% und für Karzinome 51,1%. Die Sensitivität in der Detektion von CIN war für die TZ2, die Berufsgruppe mit der größten Erfahrung und die jungen Patientinnen am größten ([Tab. 2]).

Tab. 1 Kolposkopische Klassifikation vs. Histologie.

Kolposkopischer Eindruck/Histologie (n=4778)

Benign (n=939)

CIN I (n=1161)

CIN II/III(n=2511)

Karzinom (n=167)

Normal/verschiedene Befunde/unspezifisc h (n=1008)

491 (52.3%)

236 (20.3%)

271 (10.8%)

10 (6%)

Minor (n=1044)

225 (24%)

504 (43.4%)

313 (12.5%)

2 (1.2%)

Major (n=2550

212 (22.6%)

415 (35.7%)

1858 (73.9%)

65 38.9%)

Verdacht auf Invasion (n=176)

11 (1.2%)

6 (0.5%)

69 (2.7%)

90 (53.9%)

Tab. 2 Sensitivität, Spezifität, Positiver Prädiktiver Wert (PPV) und Negativer Prädiktiver Wert (NPV) für die verschiedenen Untergruppe (TZ: Transformationszone; KI:( Konfidenzintervall).

Sensitivität (95 KI)

Spezifität (95 KI)

PPV (95KI)

NPV(95 KI)

Gesamtes Kollektiv

77,8% (76,12% - 79,31%)

69,3% (67,31% - 71,30%)

76,4% (74,74% - 77,96%)

71,0% (68,94% - 72,91%)

TZ1

80,1% (77,66 – 82,33)

65,7% (62,47 – 68,9)

75,9% (73,4 – 78,26)

71,0% (67,72 – 74,12)

TZ2

82,4% (79,7 – 84,93)

64,4% (60,27 – 68,43)

78,1% (75,25 – 80,77)

70,4% (66,24 – 74,39)

TZ3

67,7% (64,02 – 71,26)

77,8% (74,51 – 80,87)

74,8% (71,13 – 78,21)

71,3% (67,87 – 74,48)

Untersuchender 0–5 Jahre

73,5% (70,86 – 76,03)

68,6% (65,87 – 71,17)

69,0% (66,36 – 71,6)

73,1% (70,41 – 75,65)

Untersuchender 5–10 Jahre

70,2% (65,89 – 74,24)

77,1% (72,62 – 81,2)

79,2% (75,05 – 82,95)

67,6% (62,99 – 71,9)

Untersuchender > 10 Jahre

86,0% (83,77 – 88,08)

65,1% (60,77 – 69,31)

83,7% (81,34 – 85,86)

69,2% (64,76 – 73,3)

Alter 0–34 Jahre

82,3% (80,18 – 84,3)

63,8% (60,68 – 66,86)

76,4% (74,19 – 78,59)

71,7% (68,51 – 74,66)

Alter > 35 Jahre

73,0% (70,48 – 75,37)

74,0% (71,32 – 76,5)

76,3% (73,84 – 78,63)

70,5% (67,78 – 73,02)

Zusammenfassung In der Literatur wird die Genauigkeit in der Einschätzung von kolposkopischen Untersuchungen zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Die Sensitivität wurde unterschiedlich zwischen 56,29% bis 64,72% und die Spezifität zwischen 52,74% und 93,82% angegeben [10] [11]. In unserer Studie war die Sensitivität deutlich höher bei 77,8%. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Dysplasie-Einheit aus einem hochspezialisierten Team besteht, das sehr erfahren ist in der Untersuchung der Zervix. Aufgrund der besseren Visualisierung der TZ1 und TZ2 ist die Sensitivität deutlich höher im Vergleich zur TZ3. In unserer Studie war die Genauigkeit in der Gruppe der erfahrensten Untersuchenden (Erfahrung > 10 Jahre) am höchsten. Dies wird in der Literatur zum Teil unterschiedlich dargestellt. In einer Studie von Baum et al. hingegen waren z.B. die Untersuchenden mit 2 Jahren Erfahrung besser als die mit 3 oder mehr Jahren [12]. Da junge Frauen (<34 Jahren) unter dem Einfluss von erhöhten Östrogen-Spiegeln häufiger eine TZ1 oder TZ2 haben waren die Detektionsraten hier ebenfalls höher im Vergleich zur älteren Vergleichsgruppe (>35 Jahren).

In der vorliegenden Studie werden die Daten einer großen zertifizierten Dysplasie-Einheit dargestellt. Die Sensitivität in der Detektion von Dysplasien war für CIN II/CIN III/AIS/HSIL am größten. Die Untersuchung sollte von erfahrenen KolposkopikerInnen durchgeführt werden.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. Juni 2023

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