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DOI: 10.1055/s-0043-1768871
Kolposkopische Genauigkeit in der Detektion von zervikalen intraepithelialen Neoplasien
Authors
Einleitung Zervixkarzinome gehören weltweit zu den häufigsten Karzinomen der Frau [1] [2]. Zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN) und invasive Zervixkarzinome entstehen durch eine persistierende Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) [3]. Die Inzidenz und Mortalität ist in den westlichen Industrieländern seit Einführung von Vorsorgeprogrammen deutlich gesunken [2]. Im Januar 2020 wurde in Deutschland ein organisiertes Programm zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs eingeführt [4]. Zentraler Bestandteil des Früherkennungsprogramms ist bei Zytologischen Auffälligkeiten und/oder positiven HPV-Test die Abklärungskolposkopie [4]. Die Kolposkopie stellt den Goldstandard in der Detektion von CIN und Zervixkarzinomen dar [5]. Die Kolposkopie ist eine einfache und kostengünstige und effektive Methode in der Diagnostik von CIN und Zervixkarzinomen. Die Daten in der Literatur zur Kolposkopie sind allerdings sehr heterogen. Es gibt in der Literatur unterschiedliche Daten von Sensitivität (30-90%) und Spezifität (44-97%) für die Kolposkopie [6] [7] [8]. Es gibt Daten in der Literatur, die angeben, dass bis zu 30% aller CIN in der Kolposkopie übersehen werden [9]. Es gibt verschieden Variablen, die die Genauigkeit der Kolposkopie beeinflussen können: Typ der Transformationszone, Alter der Patientin oder Erfahrung des Untersuchenden. In der vorliegenden Arbeit wurde die Korrelation zwischen Einschätzung des Untersuchenden (Findings) und der Histologie verglichen.
Material und Methodik Es wurden alle Patientinnen, die nach einer Kolposkopie der Zervix eine Biopsie erhalten haben und/oder bei denen eine exzidierende Operation (z.B. Konisation oder Hysterektomie) durchgeführt worden ist, eingeschlossen. Patientinnen ohne Biopsie, die mit einem abladierenden Verfahren behandelt wurden, wurden ausgeschlossen ([Abb. 1]). Die Einteilung der kolposkopischen Befunde erfolgte nach der 2011 Klassifikation der International Federation for Cervical Pathology and Colposcopy (IFCPC) in: „normal“, „unspezifisch“, „verschiedene Befunde“ abnormal: „minor“, „major“ und „Verdacht auf Invasion“. Die kolposkopischen Eindrücke „normal“, „unspezifisch“ und „verschiedene Befunde“ wurde mit einer gutartigen Histologie korreliert. Der Eindruck „minor“ mit der Histologie „CIN I/LSIL“ und der Eindruck „major“ mit der Histologie „CIN II/CIN III/AIS/HSIL“ korreliert. Der kolposkopische Eindruck „Verdacht auf Invasion“ wurde mit der Histologie „Karzinom“ korreliert. Die statistische Auswertung erfolgte mittels Spearman-Korrelationskoeffizient. Es wurde die Sensitivität, Spezifität, der positive prädiktive Wert (PPV) und negative prädiktive Wert (NPV) ermittelt.


Ergebnisse Zwischen Januar 2015 und Mai 2022 wurden in der zertifizierten Dysplasie-Einheit des Universitätsklinikum Erlangen 11.086 Kolposkopien der Zervix durchgeführt. In 4778 Kolposkopien an 4001 Frauen wurde eine Biopsie und/oder eine exzidierende Operation durchgeführt. In 1008 Fällen war der kolposkopische Eindruck „normal“, in 1044 Fällen „minor“, in 2550 Fällen „major“ und in 176 Fällen bestand der Verdacht auf eine Invasion. Die Histologie ergab in 939 Fällen einen gutartigen Befund, in 1161 Fällen eine CIN I/LSIL, in 2511 Fällen eine CIN II/CIN III/AIS/HSIL und in 167 Fällen ein Karzinom ([Tab. 1]). Die Übereinstimmungsrate für gutartige Befunde war 52,3%, für CIN I/LSIL 48,3%, für CIN II/CIN III/AIS/HSIL 73,9% und für Karzinome 51,1%. Die Sensitivität in der Detektion von CIN war für die TZ2, die Berufsgruppe mit der größten Erfahrung und die jungen Patientinnen am größten ([Tab. 2]).
Kolposkopischer Eindruck/Histologie (n=4778) |
Benign (n=939) |
CIN I (n=1161) |
CIN II/III(n=2511) |
Karzinom (n=167) |
---|---|---|---|---|
Normal/verschiedene Befunde/unspezifisc h (n=1008) |
491 (52.3%) |
236 (20.3%) |
271 (10.8%) |
10 (6%) |
Minor (n=1044) |
225 (24%) |
504 (43.4%) |
313 (12.5%) |
2 (1.2%) |
Major (n=2550 |
212 (22.6%) |
415 (35.7%) |
1858 (73.9%) |
65 38.9%) |
Verdacht auf Invasion (n=176) |
11 (1.2%) |
6 (0.5%) |
69 (2.7%) |
90 (53.9%) |
Sensitivität (95 KI) |
Spezifität (95 KI) |
PPV (95KI) |
NPV(95 KI) |
|
---|---|---|---|---|
Gesamtes Kollektiv |
77,8% (76,12% - 79,31%) |
69,3% (67,31% - 71,30%) |
76,4% (74,74% - 77,96%) |
71,0% (68,94% - 72,91%) |
TZ1 |
80,1% (77,66 – 82,33) |
65,7% (62,47 – 68,9) |
75,9% (73,4 – 78,26) |
71,0% (67,72 – 74,12) |
TZ2 |
82,4% (79,7 – 84,93) |
64,4% (60,27 – 68,43) |
78,1% (75,25 – 80,77) |
70,4% (66,24 – 74,39) |
TZ3 |
67,7% (64,02 – 71,26) |
77,8% (74,51 – 80,87) |
74,8% (71,13 – 78,21) |
71,3% (67,87 – 74,48) |
Untersuchender 0–5 Jahre |
73,5% (70,86 – 76,03) |
68,6% (65,87 – 71,17) |
69,0% (66,36 – 71,6) |
73,1% (70,41 – 75,65) |
Untersuchender 5–10 Jahre |
70,2% (65,89 – 74,24) |
77,1% (72,62 – 81,2) |
79,2% (75,05 – 82,95) |
67,6% (62,99 – 71,9) |
Untersuchender > 10 Jahre |
86,0% (83,77 – 88,08) |
65,1% (60,77 – 69,31) |
83,7% (81,34 – 85,86) |
69,2% (64,76 – 73,3) |
Alter 0–34 Jahre |
82,3% (80,18 – 84,3) |
63,8% (60,68 – 66,86) |
76,4% (74,19 – 78,59) |
71,7% (68,51 – 74,66) |
Alter > 35 Jahre |
73,0% (70,48 – 75,37) |
74,0% (71,32 – 76,5) |
76,3% (73,84 – 78,63) |
70,5% (67,78 – 73,02) |
Zusammenfassung In der Literatur wird die Genauigkeit in der Einschätzung von kolposkopischen Untersuchungen zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Die Sensitivität wurde unterschiedlich zwischen 56,29% bis 64,72% und die Spezifität zwischen 52,74% und 93,82% angegeben [10] [11]. In unserer Studie war die Sensitivität deutlich höher bei 77,8%. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Dysplasie-Einheit aus einem hochspezialisierten Team besteht, das sehr erfahren ist in der Untersuchung der Zervix. Aufgrund der besseren Visualisierung der TZ1 und TZ2 ist die Sensitivität deutlich höher im Vergleich zur TZ3. In unserer Studie war die Genauigkeit in der Gruppe der erfahrensten Untersuchenden (Erfahrung > 10 Jahre) am höchsten. Dies wird in der Literatur zum Teil unterschiedlich dargestellt. In einer Studie von Baum et al. hingegen waren z.B. die Untersuchenden mit 2 Jahren Erfahrung besser als die mit 3 oder mehr Jahren [12]. Da junge Frauen (<34 Jahren) unter dem Einfluss von erhöhten Östrogen-Spiegeln häufiger eine TZ1 oder TZ2 haben waren die Detektionsraten hier ebenfalls höher im Vergleich zur älteren Vergleichsgruppe (>35 Jahren).
In der vorliegenden Studie werden die Daten einer großen zertifizierten Dysplasie-Einheit dargestellt. Die Sensitivität in der Detektion von Dysplasien war für CIN II/CIN III/AIS/HSIL am größten. Die Untersuchung sollte von erfahrenen KolposkopikerInnen durchgeführt werden.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
06. Juni 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Buskwofie A, David-West G, Clare CA.. A Review of Cervical Cancer: Incidence and Disparities. J Natl Med Assoc 2020; 112: 229-232
- 2 Stuebs FA, Schulmeyer CE, Mehlhorn G. et al. Accuracy of colposcopy-directed biopsy in detecting early cervical neoplasia: a retrospective study. Arch Gynecol Obstet 2019; 299: 525-532
- 3 Stuebs FA, Gass P, Dietl AK. et al. Human papilloma virus genotype distribution in women with premalignant or malignant lesions of the uterine cervix. Arch Gynecol Obstet 2021; 304: 751-758
- 4 Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie und eine Änderung der Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme: Programm zur Früherkennung von Zervixkarzinomen 2018 22. November 2018; Available from: https://www.g-ba.de/downloads/39-261-3597/2018-11-22_oKFE-RL_Zervixkarzinom.pdf
- 5 Stuebs FA, Dietl AK, Behrens A. et al. Concordance Rate of Colposcopy in Detecting Cervical Intraepithelial Lesions. Diagnostics 2022; 12: 2436
- 6 Petousis S, Christidis P, Margioula-Siarkou C. et al. Discrepancy between colposcopy, punch biopsy and final histology of cone specimen: a prospective study. Arch Gynecol Obstet 2018; 297: 1271-1275
- 7 Karimi-Zarchi M, Peighmbari F, Karimi N. et al. A Comparison of 3 Ways of Conventional Pap Smear, Liquid-Based Cytology and Colposcopy vs Cervical Biopsy for Early Diagnosis of Premalignant Lesions or Cervical Cancer in Women with Abnormal Conventional Pap Test. Int J Biomed Sci 2013; 9: 205-210
- 8 Olaniyan OB.. Validity of colposcopy in the diagnosis of early cervical neoplasia - a review. Afr J Reprod Health 2002; 6: 59-69
- 9 Mousavi AS, Fakour F, Gilani MM. et al. A prospective study to evaluate the correlation between Reid colposcopic index impression and biopsy histology. J Low Genit Tract Dis 2007; 11: 147-150
- 10 Massad LS, Collins YC.. Strength of correlations between colposcopic impression and biopsy histology. Gynecol Oncol 2003; 89: 424-428
- 11 Ruan Y, Liu M, Guo J. et al. Evaluation of the accuracy of colposcopy in detecting high-grade squamous intraepithelial lesion and cervical cancer. Arch Gynecol Obstet 2020; 302: 1529-1538
- 12 Baum ME, Rader JS, Gibb RK. et al. Colposcopic accuracy of obstetrics and gynecology residents. Gynecol Oncol 2006; 103: 966-970