Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(06): e17
DOI: 10.1055/s-0043-1769825
ABSTRACTS | MGFG

Inversio uteri – ein Fallbericht aus dem Kreißsaal

K. Grimm
,
J. Hermann
 

Einleitung Eine Inversio uteri ist ein extrem seltener Notfall im Kreißsaal und kann innerhalb kürzester Zeit zu sehr hohem Blutverlust führen. Sie bezeichnet die komplette oder inkomplette Umstül¬pung der Gebärmutterschleimhaut in die Scheide oder bis zur Vulva und tritt bei bis zu ca. 1:200.000 Geburten auf. Als Risikofaktoren werden u.a. ein protrahierter Geburtsverlauf oder eine kongenitale Uteruswandschwäche beschrieben. Es ist bisher nicht bekannt, ob eine Muskeldystrophie mit Beckenbodenschwäche und eingeschränkter abdominaler Muskelkraft ein weiterer Risikofaktor für eine Uterusinversion darstellt.

Fallbericht Wir berichten von einer 37-Jährigen II-Gravida, II-Para mit bekannter Facioscapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD). Nach unkompliziertem Schwangerschaftsverlauf stellte sie sich mit spontanem Wehenbeginn im Kreißsaal vor. Der Geburtsverlauf war protrahiert- die Plazentarperiode wurde daher mit Carbetocin aktiv geleitet. Ohne forciertem Nabelschnurzug kam es zur Geburt der vollständigen Plazenta. Durch eine vermehrte postpartale Blutung erfolgte im Rahmen des PPH – Algorithmus die Darstellung des komplett invertierten Uterus in die Vagina (Grad 3). Ein sofortiger Repositionsversuch nach Johnson war durch den steinharten Uterus und dem rigidem Zervikalring nicht möglich. Nach erfolgter Analgosedierung und bimanuellem Repositionsmanöver konnte schließlich der Uterus nach insgesamt 45 min. reponiert werden. Der anschließend komplett atone Uterus wurde bis zum Wirkungseintritt von Sulproston im Crede-Griff gehalten. Insgesamt wurde ein Blutverlust von 2000ml gemessen. Die Vital- und Gerinnungsparameter waren stets stabil. Die Patientin erhielt dafür 2 Erythrozyten-, 2 FFP-Konserven, Tranexamsäure, Fibrinogen und eine Antibiotikaprophylaxe mit 2g Ceftriaxon. Intra- und postoperativ zeigte sich nebenbefundlich ein maternaler Harnstau beidseits. Der weitere postpartale Verlauf gestaltete sich unauffällig. Nach drei Wochen zeigte die sonografische Kontrolle eine unauffällige Vaskularisierung des Myometriums ohne Anhalt für Nekrose oder einen Harnstau.

Schlussfolgerung Soweit wir wissen, ist dies der erste Fallbericht, welcher eine Inversio uteri bei einer bestehenden Muskeldystrophie beschreibt. Ein Zusammenhang zwischen der FSHD als Risikofaktor für eine Inversio uteri ist unklar, wäre jedoch bei bekannter Beckenboden- und fraglicher Uteruswandschwäche denkbar. Welchen Einfluss Carbetocin im Falle einer Inversio uteri auf die frühzeitige Entwicklung eines rigiden Zervikalrings oder die Reduktion des Gesamtblutverlust hat, sollte durch weitere Fallberichte beobachtet werden. Eine Inversionsdauer des Uterus von 45 min hatte bei unserer Patientin eine gute Prognose.



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Article published online:
21 June 2023

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