RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0043-1769879
Heterotrope Gravidität
Die Heterotrope Gravidität (HG) ist das gleichzeitige Auftreten von zwei Schwangerschaften an zwei verschiedenen Implantationsstellen. Häufig befindet sich eine Gravidität intrauterin und die andere ist in der Tuba uterina zu finden. Die Prävalenz der HG ist gering und wird auf 1 zu 30.000 Schwangerschaften geschätzt. Bei Frauen, die sich assistierten Reproduktionstechniken (ART) unterziehen, ist die Inzidenz der HG signifikant erhöht auf ca. 1 zu 100 Schwangerschaften. Obwohl selten, sind diese Schwangerschaften potenziell lebensbedrohlich, verantwortlich für eine erhebliche Morbidität und Mortalität der Mütter und zeigen in ihrer Diagnostik erhebliche Schwierigkeiten.
Die Vorstellung der 32-jährigen Patientin G2/P1 in der 9. SSW mit Z.n. Insemination und Geminigravidität erfolgte mit stechenden Unterbauchschmerzen und leichter Schmierblutung. Die Patientin mit Z.n. Sectio caes., Z.n. Appendektomie, Z.n. Myomenukleation, Z.n. LSK Chromopertubation und Endometriosesanierung zeigte sonographisch eine intrauterine intakte dichoriale Geminigravidität und keinen Anhalt für eine Extrauterine Gravidität. Die bei der Aufnahme abgenommenen Laborparameter waren unauffällig (ß-HCG 177994 mIU/ml). Einige Stunden später klagte die Patientin über Schwindel, Bauchschmerzen und Kaltschweißigkeit. Die Vitalparameter zeigten einen Blutdruck von 50/30 mmHg und einen Puls von 100/min. Es zeigte sich eine Abwehrspannung des Abdomens. Die sofortige Sonographie stellte eine Geminigravidität im Uterus dar und reichlich freie Flüssigkeit im Abdomen. Das Labor zeigte einen Hb von 3 mmol/l (zuvor 7,3 mmol/l). Es erfolgte die notfallmäßige Laparoskopie im hypovolämischen Schock. Intraoperativ zeigte sich ein massives Hämatoperitoneum mit Blutkoageln von ca. 3500 ml. Der Uterus zeigte sich unauffällig. An der rechten Tube präsentierte sich eine rupturierte Tubargravidität. Es erfolgte die beidseitige Salpingektomie bei auch auffälliger linker Tube. Histologisch wurde die Tubargravidität der rechten Tube bestätigt. Nach intensivmedizinischer Betreuung stabilisierte sich die Patientin rasch. Insgesamt wurden vier Erythrozytenkonzentrate und vier Fresh frozen Plasma transfundiert. Bei der Entlassung zeigte die sonografische Kontrolle eine intakte Geminigravidität. Die Patientin stellte sich in der 30+4 SSW zur Geburtsplanung vor. Hierbei zeigten sich unauffällige, zeitgerecht entw. Feten in II. Beckenendlage und dorso-superioren Querlage. Die prim. Re-Sectio caes. ist für die 38. SSW vorgesehen.
Wie im beschriebenen Fall kommt es bei der HG in fast 50 % der Fälle zu einer Ruptur, Blutung und einer Notfalllaparoskopie – im Vergleich dazu im Falle einer EUG nur in 13 %. Trotzdem haben 2 von 3 Patientinnen mit einer lebensfähigen Intrauterinen Gravidität eine Chance, ein lebendes Kind zu gebären, wenn die Diagnose frühzeitig gestellt und entsprechend behandelt wird. Eine Rarität stellt in diesem Fall das gleichzeitige Vorliegen 3er Schwangerschaften dar.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
21. Juni 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany