Z Geburtshilfe Neonatol 2023; 227(S 01): e210
DOI: 10.1055/s-0043-1776573
Abstracts
DGPM

Lamotrigin-Intoxikation bei schwerer Präeklampsie

V. Schaefer
1   UKGM Marburg, Klinik für Geburtshilfe und Perinatologie, Marburg, Deutschland
,
M. P. Bergmann
2   UKGM Marburg, Klinik für Neurologie, Marburg, Deutschland
,
I. Kluge
3   UKGM Marburg, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Marburg, Deutschland
,
F. P. Bernhard
3   UKGM Marburg, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Marburg, Deutschland
,
S. Köhler
1   UKGM Marburg, Klinik für Geburtshilfe und Perinatologie, Marburg, Deutschland
,
U. Wagner
4   UKGM Marburg, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Marburg, Deutschland
,
C. Keil
1   UKGM Marburg, Klinik für Geburtshilfe und Perinatologie, Marburg, Deutschland
› Author Affiliations
 

Einleitung Die Präeklampsie ist ein Hauptgrund für die maternale Morbidität und Mortalität. Präexistente Erkrankungen können den Verlauf zusätzlich komplizieren. Die Epilepsie ist die häufigste neurologische Erkrankung in der Schwangerschaft (0,5% d. Schwangeren) [1]. Lamotrigin wird bei geringem Fehlbildungsrisiko (3%) bevorzugt eingesetzt [2], hepatisch eliminiert und renal ausgeschieden. In der Schwangerschaft steigt die Lamotrigin-Clearance, Dosisanpassungen sind häufig. Durch Leber- und Niereninsuffizienz steigt das Risiko der Überdosierung deutlich, ursächlich kann u.a. eine Präeklampsie sein. Diese Zusammenhänge möchten wir anhand eines Fallbeispiels zeigen.

Material/Methoden 35j. IG/0P mit generalisierter Epilepsie vom juvenil myoklonischen Typ, anfallsfrei seit 2016 unter Lamotrigin 400mg/d. Anfallshäufung ab der 21. SSW mit erhöhter Erregbarkeit im EEG, die Dosis wurde daraufhin auf 1050 mg/d gesteigert. Bei fehlender Risikokonstellation für eine Präeklampsie war keine ASS-Prophylaxe erfolgt. Es bestand ein SIH, der mit alpha-Methyldopa behandelt wurde. Die Aufnahme erfolgte in der 35+1 SSW mit Übelkeit und Erbrechen, RR 145/85 mmHg, CTG unauffällig. Sonographisch SGA<10. Perz., laborchemisch erhöhte Transaminasen und Retentionswerte, der sFlt-1/PLGF-Quotient war bei 370. Klinisch zeigte die Patientin eine schwere Präeklampsie mit zentralnervöser Symptomatik (Hyperreflexie, Flimmerskotome). Es erfolgt die primäre Sectio in 35+2 SSW mit Partus eines hypotrophen Neugeborenen (2010g) aus grünem Fruchtwasser.

Ergebnisse Postpartal wurde die Lamotrigindosis nach interdisziplinärer Beratung reduziert, am 2. p.p. Tag kam es zu fluktuierenden Episoden von Orientierungsstörungen, Vigilanzminderung, Suizidgedanken und Amnesie. Geburt und Schwangerschaft waren phasenweise nicht erinnerlich. Bei steigenden Infekt- und Leberwerten erfolgte eine Lumbalpunktion, ein cMRT und ein psychiatrisches Konsil. Der Lamotriginspiegel lag bei 22 mg/l. Nach Reduktion auf die präkonzeptionelle Dosis sistierte die Symptomatik und war bei Entlassung vollständig reversibel.

Diskussion Die Präeklampsie-induzierte akute Leber-und Niereninsuffizienz führt zur abrupt abfallenden Lamotrigin-Clearance und Akkumulation trotz Dosisreduktion. Differentialdiagnostisch sollte eine Enzephalitis, ein PRES und eine Psychose ausgeschlossen werden. Bei Patientinnen mit antiepileptischer Therapie und einer Präeklampsie sollte in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit die Dosis zügig reduziert und der Lamotriginspiegel bestimmt werden, um eine Über-und Unterdosierung zu vermeiden. Eine interdisziplinäre Betreuung bei präexistenter Erkrankung ist in allen Phasen der Schwangerschaft und im Wochenbett dringend indiziert.



Publication History

Article published online:
15 November 2023

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  • Literatur

  • 1 Senf P, Schmitz B.. Epilepsie: Unsicherheit vermeiden. AP Neurologie Psychiatrie 2009; 34-9
  • 2 Cunnington MC, Weil JG, Messenheimer JA. et al. Final results from 18 years of the International Lamotrigine Pregnancy Registry. Neurology 2011; 76: 1817-23