Laryngorhinootologie 2018; 97(04): 269-271
DOI: 10.1055/s-0044-101433
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nekrotisierende zervikale Lymphadenopathie mit unklaren Hautläsionen

Necrotising cervical lymphadenitis with unclear skin lesions
Karolin Wolff
,
Christian Offergeld
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 February 2018 (online)

Fallbeschreibung

Ende Oktober 2014 stellte sich ein 16-jähriger junger Mann in reduziertem Allgemeinzustand mit Fieber, Nachtschweiß, starken Schmerzen, vergrößerten zervikalen Lymphknoten und unklaren nekrotisierenden Hautveränderungen konsilliarisch in unserer Ambulanz vor. Beim Hausarzt wurde bereits eine antibiotische Therapie mit Amoxicillin oral nach stattgehabtem Insektenstich eingeleitet. Hierunter zeigte sich weiterhin eine Vergrößerung der zervikalen Lymphknoten. Hinzu kam eine Hautveränderung am linken Ohr und nachfolgend zusätzliche Hautveränderungen am Kinn und den Naseneingängen bds.. Die antibiotische Therapie wurde auf Amoxicillin/Clavulansäure erweitert sowie eine lokale Therapie mit Octenisept® begonnen. Auch hierunter zeigte sich eine weitere Progredienz der Lokal- sowie Allgemeinbefunde.

Bei Aufnahme zeigten sich eine ausgeprägte linksbetonte zervikale und supraclaviculäre Lymphadenopathie sowie nekrotisierende Hautveränderungen im Bereich der Naseneingänge bds., am Kinn sowie am linken Lobulus auriculae ([ Abb. 1 ]).

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Abb. 1 Nekroseareale am Kinn, Naseneingang bds. und Lobulus auriculae links

Sonographisch stellten sich die Halslymphknoten stark vergrößert (bis zu 25 mm), teils mit Verdacht auf zentrale Nekrotisierung dar ([ Abb. 2 ]).

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Abb. 2 Sonographie: Zervikaler Lymphknoten infraauriculär mit V. a. zentrale nekrotische Areale

In der dermatologischen Klinik wurden Abstriche sowie repräsentative Biopsien entnommen. Die antibiotische Therapie wurde auf Clindamycin i. v. umgestellt und die lokale Therapie mit Octenisept® fortgeführt.

Zur genauen Beurteilung der Ausdehnung der Nekrosen und Ausschluss einer Beteiligung des Septums und Flügelknorpels erfolgte eine MRT mit Kontrastmittel ([ Abb. 3 ]). Es zeigte sich eine große nekrotische/einschmelzende Läsion links, vom Lobulus auriculae bis nach infraaurikulär ziehend sowie die bekannte Lymphadenopathie. Im Bereich der Nase konnte eine knorpelige Destruktion ausgeschlossen werden.

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Abb. 3 MRT mit KM: Große nekrotische/einschmelzende Läsion links vom Lobulus bis nach infraaurikulär ziehend.

Im mikrobiologischen Abstrich zeigte sich kein bakterielles oder mykotisches Keimwachstum. Eine Herpes-simplex Besiedlung wurde mittels Virus-PCR ausgeschlossen. Die Poxvirus-PCR war positiv und Orthopoxvirus-DNA konnte isoliert werden, sodass die Diagnose einer Kuhpockeninfektion gestellt werden konnte.

In einer Exzisionsbiopsie vom Kinn zeigte sich eine tiefe Ulzeration mit Follikelnekrose. Der zytomorphologische Aspekt entsprach einer virusbedingten Infektion.

Im Verlauf kam es zu einer spontanen Abszesseröffnung infraauriculär links, sodass eine Spaltung in Lokalanästhesie erfolgte. Die Wundhöhle wurde täglich gespült. Im Abstrich aus der Wundhöhle wiesen wir Staphylococcus aureus nach. Bei bestehender Resistenz gegen Clindamycin erfolgte die Umstellung der antibiotischen Therapie auf Ciprofloxacin.

Die Nekrosen am Kinn und Lobulus wurden lokal mit Lavasept® Creme und UrgoTül®, zusätzlich am Naseneingang mit Bepanthen®-Salbe behandelt. Die Nekrosen wurden im Verlauf partiell abgetragen.

Zum Ausschluss einer Immundefizienz bei schwer verlaufender Kuhpockeninfektion erfolgte ein breitflächiges Screening in Absprache mit der Abteilung für pädiatrische Immunologie. Diese konnte bei dem Patienten allerdings ausgeschlossen werden.

Im Verlauf kam es zu einer langsamen, narbigen Abheilung der Hautnekrosen sowie einer langsamen Regredienz der zervikalen Lymphadenopathie ([ Abb. 4 ]). In der sonographischen Verlaufskontrolle nach 18 Monaten zeigten sich nur noch 2 reaktiv veränderte Lymphknoten, rechts mit max. 19 mm in Regio IIA, links mit max. 14 mm in Regio IB. B-Sonographisch als auch farbduplexsonographisch ergab sich keine suspekte Konstellation.

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Abb. 4 Narbige Abheilung im klinischen Befund nach 18 Monaten.
 
  • Literatur

  • 1 Becker C, Kurth A, Hessler F. et al. Kuhpocken bei Haltern von Farbratten – Ein nicht immer sofort erkanntes Krankheitsbild. Dtsch. Arztebl. Int. 2009; 106: 329-334
  • 2 Lee WC, Manjaly G, Skinner DW. et al. Cowpox infection of the nose. J Laryngol Otol 1996; Aug 110 (08) 782-4
  • 3 Pahlitzsch R, Hammarin AL, Widell A. A case of facial cellulitis and necrotizing lymphadenitis due to cowpox virus infection. Clin Infect Dis 2006; Sep 15 43 (06) 737-42 Epub 2006 Aug 10
  • 4 Robert Koch Institut. Epidemiologisches Bulletin 9. März 2007 / Nr. 10 Kuhpocken: Zur Situation in Deutschland
  • 5 Pfeiff B, Pullmann H, Eis-Hübinger AM. et al. Letale Tierpocken-Infektion bei einem Atopiker unter dem Bild einer Variola vera. Hautarzt 1991; 42: 293-297
  • 6 Mayr A. Zur Gefährdung des Menschen durch Tierpocken nach Aufhebung der Pflichtimpfung gegen Pocken. Hautarzt 1985; Sep 36 (09) 493-495