Osteologie 2024; 33(02): 126
DOI: 10.1055/s-0044-1782083
Abstracts
4. Posterbegehung 4

Mehrfachfrakturen nach einem Niedrigenergietrauma bei einem immunsupprimierten lungentransplantierten Patienten mit schwerer osteoporotischer Knochentextur – eine Herausforderung für die Traumatologie

Julian Ramin Andresen
1   Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinische Abteilung für Unfallchirurgie, Wien
,
Martin Direder
1   Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinische Abteilung für Unfallchirurgie, Wien
,
Harald Widhalm
1   Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinische Abteilung für Unfallchirurgie, Wien
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Einleitung: Patienten mit einem Zustand nach Lungentransplantation entwickeln mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund einer immunsuppressiven Dauermedikation eine Osteopathie mit deutlich erniedrigtem Knochenmineralgehalt und Rarefizierung der Knochenstruktur sowie einem konsekutiv erhöhten Frakturrisiko.

Methode: Wir berichten über einen immunsupprimierten Patienten mit multiplen Frakturen nach einem Sturz aus 1m Höhe.

Patient, Behandlung und Ergebnisse: Bei dem 48-jährigen Mann fanden sich, nach der Erstversorgung im Schockraum, in der konventionellen Bildgebung und CT-Untersuchung jeweils links eine supra-intrakondyläre Mehrfragmentfraktur des Os femoris, eine subcapitale dislozierte Humerusfraktur, eine Radiusfraktur in Höhe des Collum radii und eine Maisonneuve-Fraktur.Anamnestisch war aufgrund einer mehrjährigen Cortisoneinnahme eine manifeste Osteoporose mit abgelaufen Rippen- und Wirbelkörperfrakturen bei einem T-Score von -5 in der DEXA-Messung der LWS bekannt. Daraufhin erfolgte eine leitliniengerechte Therapie mit Vitamin D, Calcium und Denosumab (Prolia 60). 18 Monate vor dem Unfall erfolgte eine Lungentransplantation wegen chronischer thrombembolischer pulmonaler Hypertonie im Endstadium. Sechs Monate nach Beginn der osteoanabolen Therapie entwickelte sich eine Femurkopfnekrose beidseits, wobei die Indikation zur Versorgung mittels H-TEP gestellt wurde. Bei der osteosynthetischen Versorgung über einen offenen Zugang des Kniegelenkes imponierte eine ins Gelenk einstrahlende multifragmentäre Femurfraktur mit einer knöchernen Avulsion des lateralen Kollateralbandes und der posterolateralen Insertion des vorderen Kreuzbandes. Nach Reposition der Frakturfragmente und temporärer Fixierung mittels K-Drähten wurden medial eine LCP-6-Loch-Platte sowie lateral eine 7-Loch-LISS-Platte (Synthes) positioniert und mit multiplen Schrauben verankert. Der knöcherne Ausriss des vorderen Kreuzbandes wurde mit einer 3,5mm SharkScrew, der Ausriss des lateralen Seitenbandes mit zwei FibreWire Loops fixiert.Ein knöchernes Fragment des Malleolus medialis mit Volkmann`schem Dreieck wurde mit zwei Zugschrauben stufenlos adaptiert. Zusätzlich erfolgte eine Stabilisierung der Syndesmose mit zwei Stellschrauben. Mit einer 3-Loch-LCP-Platte (Synthes) für den Oberarmknochen und einer 8-Loch-T-Platte mit zwei Schrauben für das Caput und Collum radii konnte eine ausreichende Reposition und weitgehend achsengerechte Stellung erreicht werden. Im weiteren Verlauf wurde zur Unterstützung der Frakturheilung die antiresorptive Medikation auf die osteoanabole Substanz Teriparatid (Forsteo) umgestellt, welches im Verlauf von 6 Monaten zu einer Konsolidierung der Frakturen führte. Die im Anschluss durchgeführte DEXA-Messung zeigte keine verbesserte Knochenstruktur.

Diskussion: Die Behandlung von Frakturen in der Akutsituation erfordert zunächst eine optimale osteosynthetische Versorgung zur Schaffung einer Primärstabilität, welches bei ausgeprägter osteopener Knochentextur sehr anspruchsvoll sein kann. Bei komplexeren Frakturverläufen sind durchwegs mehrere Folgeeingriffe erforderlich. Anschließend ist eine umfangreiche postoperative Betreuung notwendig. Aufgrund der zusätzlich vorhandenen manifesten Osteoporose und zur beschleunigten Frakturheilung sollte eine osteoanabole Medikation gewählt werden. Es ist zu überlegen eine präventive medikamentöse Therapie speziell bei Patienten mit derartigen Krankheitsbildern zu verabreichen.

Keywords: Mehrfachfrakturen, Niedrigenergietrauma, immunsupprimierter Patient, osteoporotische Knochentextur, spezifische antiosteoporotische Medikation

Korrespondenzadresse: Julian Ramin Andresen, Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinische Abteilung für Unfallchirurgie, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Österreich, E-Mail: ramin.andresen@meduniwien.ac.at



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Article published online:
13 March 2024

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