RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0044-1785367
Klinische Langzeit-Effekte des voll kassenfinanzierten vierjährigen Adipositas-Programms „Leipziger Adipositasmanagement“
Authors
Die konservative Gewichtsreduktion steht sowohl in den Leitlinien zur Therapie des Typ-2-Diabetes [1], als auch der Adipositas [2] als Basistherapie an erster Stelle der Therapieempfehlungen. Randomisierte klinische Studien haben gezeigt, dass eine Kombination aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie effektiver ist als eine Therapie mit nur einer der Behandlungskomponenten [2]. In Kombination mit einer Formuladiätphase konnten beispielsweise in der DIRECT-Studie innerhalb eines Jahres sogar Gewichtsreduktionen von 10 kg (9 kg vs. Kontrollgruppe) und eine Remissions-Rate des Typ-2-Diabetes von 46% (42% vs. Kontrollgruppe) erreicht werden [3]. In Deutschland ist allerdings trotz eindeutiger Leitlinienempfehlungen bisher eine Finanzierung über die Krankenkassen innerhalb der Regelversorgung nicht möglich.
Das Universitätsklinikum Leipzig bietet über einen Vertrag mit der Krankenkasse AOK PLUS (Sachsen und Thüringen) seit 2014 ein vollständig kassenfinanziertes Programm für Personen mit Body-Mass-Index ≥ 35 kg/m2 an. Das erste intensive Therapiejahr besteht aus in der Regel 14 Terminen Ernährungstherapie (davon 8 in der Gruppe), 10 Terminen Gruppenschulung Verhaltenstherapie und 60 min. Sport pro Woche [4]. Im 2. bis 4. Jahr des Programms finden dann noch insgesamt 36 Sporteinheiten, und in Gruppenschulung 8 Einheiten Ernährungs- und 10 Einheiten Verhaltenstherapie statt.
Für die Auswertung der Therapieeffekte über die gesamten vier Jahre des Programms wurden anthropometrische und metabolische Parameter als Baseline-Messung vor Programmstart (t0, n=381, 71% Frauen) und nach jedem der vier einjährigen Programmabschnitte (t1-4, n=243, 126, 94 bzw. 77) erfasst. Wir sahen im Laufe des Programms signifikante, klinisch bedeutsame Verbesserungen der anthropometrischen und metabolischen Daten. Das niedrigste Gewicht wurde im Mittel nach zwei Jahren erreicht, danach stieg das Gewicht wieder leicht an. Das mittlere Körpergewicht zu t0 betrug 127,3 kg, zu t4 124,2 kg (p<0,01). Der Hämoglobin-A1c-Wert sank für die Gesamtkohorte von 5,8 % auf 5,7 % (p<0,001), in der Subgruppe der Personen mit Typ-2-Diabetes von 6,6 % auf 6,4 % (p<0,001). Weitere metabolische Parameter wie z.B. das Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin verbesserten sich ebenfalls signifikant.
Unsere Real-World-Daten zeigen, dass ein Adipositas-Programm, das vollständig von einer gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird, zu klinisch signifikantem Gewichtsverlust mit entsprechenden metabolischen Verbesserungen führen kann. Das multimodale Programm „Leipziger Adipositasmanagement“ liefert damit notwendige Daten für die Diskussion um die Finanzierung von konservativer Adipositas-Therapie in Deutschland. Dies ist insbesondere in Anbetracht des vor kurzem auf den Weg gebrachten Disease-Management-Programms Adipositas und zum Vergleich mit ähnlichen Programmen wie DocWeight 2.3, das eine Formuladiätphase enthält und dessen Evaluations-Studie gerade gestartet ist, wichtig.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
18. April 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
-
References
- 1 Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Teilpublikation der Langfassung, 2. Auflage. Version 1. 2021. DOI: 10.6101/AZQ/000475.
- 2 Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie der Adipositas“, AWMF-Register Nr. 050/001, Version 2.0 (April 2014).
- 3 Lean ME, Leslie WS, Barnes AC. et al. Primary care-led weight management for remission of type 2 diabetes (DiRECT): an open-label, cluster-randomised trial. Lancet 2018; 391: 541-51
- 4 Frenzel SV, Bach S, Ahrens S. et al. Ausweg aus der Versorgungslücke: Voll Krankenkassen-finanzierte konservative Adipositas-Therapie. DMW 2020; 145: e78-e86