Zeitschrift für Palliativmedizin 2024; 25(05): e61
DOI: 10.1055/s-0044-1788492
Abstracts │ DGP
Sieh mich wie ich bin: Diversität in uns und um uns

Zugang zu Palliativversorgung von muslimischen Eingewanderten und ihren direkten Nachkommen in Deutschland – Möglichkeiten, Hindernisse, Vorbehalte (ZuPaMEN)

F Bernhardt
1   Universitätsklinikum Münster, Zentrale Einrichtung Palliativmedizin, Münster
2   Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Netzwerkpartner Münster, Münster
,
F Banaz-Yaşar
3   Universitätsklinikum Essen, Hospizarbeit am Universitätsklinikum Essen, Essen
4   Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Netzwerkpartner Essen, Essen
,
M R Salvador Comino
4   Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Netzwerkpartner Essen, Essen
5   Universitätsklinikum Essen, Palliativmedizin der Universitätsmedizin Essen, Essen
,
T Altscher
6   St. Franziskus-Hospital Ahlen, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Münster, Ahlen
7   Palliativmedizinisches Forum Warendorf GmbH, Warendorf
,
B Dasch
1   Universitätsklinikum Münster, Zentrale Einrichtung Palliativmedizin, Münster
2   Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Netzwerkpartner Münster, Münster
,
M Terborg
1   Universitätsklinikum Münster, Zentrale Einrichtung Palliativmedizin, Münster
2   Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Netzwerkpartner Münster, Münster
,
K Scheer
3   Universitätsklinikum Essen, Hospizarbeit am Universitätsklinikum Essen, Essen
4   Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Netzwerkpartner Essen, Essen
,
J Krüger
8   Palliativnetz Münster gGmbH, Münster
,
D R Steike
2   Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Netzwerkpartner Münster, Münster
9   Universitätsklinikum Münster, Klinik für Strahlentherapie – Radioonkologie, Münster
,
M Tewes
4   Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Netzwerkpartner Essen, Essen
5   Universitätsklinikum Essen, Palliativmedizin der Universitätsmedizin Essen, Essen
,
P Lenz
1   Universitätsklinikum Münster, Zentrale Einrichtung Palliativmedizin, Münster
2   Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Netzwerkpartner Münster, Münster
› Author Affiliations
 

Hintergrund Die bestehenden Angebote der Palliativversorgung erreichen in Deutschland aktuell noch nicht alle Patient:innen in gleichem Ausmaß. So wurde u. a. bei Menschen mit Migrationsbiografie eine geringere Inanspruchnahme beschrieben. Dies scheint insb. auch für die Gruppe der muslimischen Eingewanderten und ihre direkten Nachkommen zuzutreffen. Der aktuelle Forschungsstand hierzu ist jedoch begrenzt und nicht in der Lage, die Heterogenität verschiedener Einwanderungsgruppen adäquat abzubilden. Ziel dieser Studie war es daher, mögliche Gründe zu ermitteln, die eine Inanspruchnahme von palliativen Angeboten bei dieser Gruppe beeinträchtigen könnten. Außerdem wurde untersucht, unter welchen Voraussetzungen ein niedrigschwelliger und gezielter Zugang ermöglicht werden könnte.

Methode ZuPaMEN ist eine prospektiv-multizentrische, vierarmige Grounded Theory-Studie unter Anwendung des verstehenden Interviews. Die Aufklärung, Einwilligung und semi-strukturierten Interviews wurden bei Bedarf von beeidigten Dolmetscher:innen übersetzt. Vor der Rekrutierung wurde zur Entwicklung des Interviewleitfadens eine eingehende Literaturrecherche durchgeführt.

Ergebnisse Zwischen August 2021 und Dezember 2022 wurden insgesamt 23 Patient:innen (mit vs. ohne palliative Versorgung), 12 Zugehörige und 18 Expert:innen aus 12 Herkunftsländern (plus Deutschland und Österreich) in die Studie eingeschlossen. Wir fassen unsere identifizierten Kategorien unter dem Oberbegriff „SAME SAME BUT DIFFERENT“ (Deutsch: „ganz gleich und doch ganz verschieden“) zusammen. Thematische Subgruppen umfassen u. a. die Sprachbarriere als multidimensionale Herausforderung, die Rolle der Familie, Verantwortlichkeiten und Therapiezielfindung sowie Informationslücken und Repräsentation innerhalb der Community. Außerdem arbeiteten wir wiederkehrende Narrative mit Bezug zum Islam heraus, die relevant für eine palliative Versorgung sein könnten. Besonders auffallend hierbei war, dass die Proband:innen überwiegend betonten, der Zugang zu Palliativversorgung in Deutschland sei unabhängig von Kultur oder Religion, bestehende Vorbehalte jedoch oftmals trotzdem durch kulturelle oder religiöse Argumentationslinien interpretiert wurden.

Schlussfolgerung Zwar scheinen einige (vermeintlich) muslimische Narrative den zeitgerechten Zugang zu palliativen Angeboten möglicherweise anfänglich zu erschweren, doch ist das weitaus größere Hindernis weiterhin der Mangel an kultursensiblen und verständlichen Informationen sowie die geringe Repräsentation innerhalb dieser Gruppe. Es ist bei der Integration von palliativen Angeboten wichtig frühzeitig zu vermitteln, dass diese nicht mit der Pflege und Fürsorge durch die Familie konkurrieren, sondern lediglich bei Bedarf gezielte und individuelle Unterstützung bereitstellen sollen.

Encore Abstract:EAPC 2023



Publication History

Article published online:
26 August 2024

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