Osteologie 2025; 34(02): 149
DOI: 10.1055/s-0045-1804978
Abstracts

Die Versorgungsrealität der Osteoporose – Eine qualitative Studie zu Behandlungsfehlern von Ärztinnen und Ärzten

Autoren

  • V C Jung

    1   Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik und Poliklinik IV der Universität München, Endokrinologie, Osteologie, Deggingen
  • L T Braun

    1   Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik und Poliklinik IV der Universität München, Endokrinologie, Osteologie, Deggingen
  • R Schmidmaier

    1   Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik und Poliklinik IV der Universität München, Endokrinologie, Osteologie, Deggingen
 

Einleitung: Die persistierende Osteoporose-Versorgungslücke stellt eine erhebliche Herausforderung für das Gesundheitswesen dar. Defizite im Diagnose- und Therapiemanagement führen zu mangelnder Diagnostik und suboptimaler Therapie. Bisherige Lösungsansätze erwiesen sich als unzureichend, um die Versorgungslage suffizient zu verbessern. Während der Diagnoseprozess im Rahmen des Clinical Reasoning seit Jahrzehnten Gegenstand der Forschung ist, existieren wenige empirische Daten zum Therapieentscheidungsprozess. In dieser qualitativen Interviewstudie wurden die Behandlungsfehler von Ärztinnen und Ärzten bei Diagnostik und Therapie der Osteoporose, sowie die möglichen Gründe und Ursachen kategorisiert und analysiert.

Methode: Es wurden Interviews mit 30 Ärzten geführt, die gemäß der DVO-Leitlinie in die Osteoporose-Versorgung involviert sind. Die Interviews fanden zwischen Juni 2020 und November 2021 statt. Mittels eines teilstandardisierten Leitfadens wurden die Ärzte in sieben Themenblöcken zu Diagnostik und Therapie der Osteoporose befragt. Die Transkription erfolgte nach Dresing und Pehl. Die Transkripte wurden mittels inhaltlich strukturierender Qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz und computergestützt mit der qualitativen Analyse- Software MAXQDA ausgewertet.

Ergebnisse: Basierend auf den Antworten bildete das abschließende Kategoriensystem die thematische Struktur der Analyseschritte. Insgesamt umfasste das System etwa 92 einzelne Kategorien, verteilt auf bis zu sechs Hierarchieebenen. Bei den Behandlungsfehlern wurde zwischen Diagnosefehlern, Therapiefehlern und fehlerhafter Entscheidungsgrundlage unterschieden. Die Analyse zeigte eine ausgeprägte Heterogenität in den Versorgungsprozessen und dem damit verbundenen Expertenwissen. 47% der 30 Befragten hatten die, zum Zeitpunkt der Erhebung aktuelle, DVO-Leitlinie nicht gelesen. Von 16 Befragten, welche die Leitlinie gelesen hatten, gaben 31% an, die Leitlinie sei unverständlich und zu komplex in der Anwendung. Dies spiegelte sich auch respektiv in den Behandlungsfehlern wider. Am häufigsten codiert wurden bei den Diagnosefehlern unzureichendes Wissen zu: (1) Risikoprofil (93%) und (2) Basisdiagnostikempfehlungen (87%). Bei den Therapiefehlern waren es fehlerhaftes Wissen zu: (1) Nebenwirkungen und Folgen (90%), (2) spezifische Therapieindikationen (77%), (3) Verlaufskontrollen (73%) und (4) fehlerhafte Kontextgenerierung und Interpretation (63%). Systemische Ursachen für die Versorgungslücke fanden sich unter anderem in der mangelnden DXA-Kostenübernahme und Budgetierung spezifischer Medikamente. Bei den systemischen Diagnosefehlern waren es unklare Verantwortlichkeiten und ineffiziente Prozesse.

Diskussion: Mangelnde Kenntnisse und resultierende Falsch- oder Nichtanwendung der Fachempfehlungen tragen zum Versorgungsdefizit der Osteoporose bei. Eine zu komplexe Leitlinie erschwert dabei die praktische Umsetzung. Die Ergebnisse dieser Studie können helfen die Forschung zu Behandlungsfehlern bei Osteoporose voranzutreiben und neue Ansätze bei der Revision von Leitlinien und Ausbildungskonzepten zu entwickeln.

Keywords: diagnostic errors, therapeutic errors, medical errors, clinical reasoning, osteoporosis care gap, osteoporosis treatment gap, osteoporosis

Korrespondenzadresse: Viktoria Christiane Jung, Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik und Poliklinik IV der Universität München, Endokrinologie, Osteologie, Im Eichholz 15, 73326 Deggingen, Deutschland, E-Mail: viktoria.christiane.jung@googlemail.com



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
21. März 2025

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