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DOI: 10.1055/s-0045-1808381
Status epilepticus nach Asphyxie als diagnostische Herausforderung: Antiquitin-Mangel als seltene Differentialdiagnose
Hintergrund: Die pyridoxinresponsive Epilepsie (PDE) ist eine seltene Differentialdiagnose neonataler Krampfanfälle. Die autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung führt aufgrund eines α-Aminoadipin-Semialdehyd(AASA)-Dehydrogenase(Antiquitin)-Mangels zu einer epileptischen Enzephalopathie mit mannigfaltigen neurologischen – insbesondere refraktären Krampfanfällen – und metabolischen Symptomen, die u.a. als Folge einer schweren perinatalen Asphyxie missdeutet werden können [1]. Dies kann Diagnostik und Therapiebeginn verzögern.
Kasuistik: Wir berichten von einem reifgeborenen Mädchen (2680 g GG (-2,03 SDS, SGA) nicht konsanguiner Eltern, geboren durch eilige Sectio bei pathologischem CTG (APGAR 1/4/6, NS-pH 7,06, BE -18,8 mmol/l); in einer externen Geburtsklinik mit 2-minütiger kardiopulmonaler Reanimation bei V.a. Mekoniumaspiration erstversorgt. Sie wurde zunächst bei Dyspnoe und muskulärer Hypotonie invasiv beatmet; nach 1 Std. pH 6,99, BE -20,2 mmol/l, Laktat 17 mmol/l, Thompson-Score 9. Es bestand eine passagere pulmonale Hypertonie, Gerinnungs- und Glukosetoleranzstörung. 4 Std. postnatal zeigte sich erstmalig ein zerebraler Krampfanfall mit Schmatzen und Myoklonien der Beine, im EEG bilaterale hochamplitudige sharp waves, sodass bei V.a. hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE) die Indikation zur therapeutischen Hypothermie gestellt wurde. Es folgten weitere Krampfanfälle teilweise mit Übergang in Status epilepticus; im EEG burst suppression Muster, teils myoklonische oder hochamplitudige irreguläre Wellen. Im Verlauf war die antikonvulsive Einstellung mit Phenobarbital, Levetiracetam und Phenytoin nicht anhaltend erfolgreich, sodass zeitweise eine Midazolam- und Propofol-Dauerinfusion erforderlich war. In der zerebralen Bildgebung kein Insult- oder HIE-Nachweis.
An LT 13 erfolgte eine probatorische intravenöse Pyridoxin-Gabe mit promptem Ansprechen. Im Urin Pipecholin-, Piperidin-6-carbonsäure und AASA erhöht, molekulargenetische Bestätigung eines Antiquitin-Mangels durch compound heterozygote Mutation im ALDH7A1-Gen.
Unter oraler Substitution von Pyridoxin, Arginin und lysinarmer Ernährung ist die knapp 3-Jährige anhaltend anfallsfrei. Syndromtypisch besteht ein unterdurchschnittlicher Entwicklungsstand mit muskulärer Hypotonie und Sprachentwicklungsstörung bei grenzwertig auffälliger kognitiver Entwicklung.
Zusammenfassung: Der Fall zeigt, wie vielschichtig sich die Enzephalopathie durch einen Antiquitin-Mangel manifestieren kann. Sogar letale Ausgänge vor Diagnosestellung sind beschrieben [2] [3]. Hier kann letztendlich der gesamte perinatale Verlauf der PDE zugeordnet werden [1] [3]. Trotz Anamnese mit perinataler Asphyxie und partiellem Ansprechen auf Antikonvulsiva sollte daran gedacht werden [4]. Die aktuellen Therapieoptionen mit frühestmöglicher Pyridoxin- und Arginin-Gabe mit lysinrestriktiver Diät sind effektiv zur Entwicklungsoptimierung, sodass eine Einführung in das Neugeborenenscreening diskutiert werden muss [5] [6] [7].
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
19. Mai 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 van Karnebeek CDM, Tiebout SA, Niermeijer J, Poll-The BT, Ghani A, Coughlin CR. et al. Pyridoxine-Dependent Epilepsy: An Expanding Clinical Spectrum. Pediatr Neurol 2016; 59: 6-12
- 2 Marguet F, Barakizou H, Tebani A, Abily-Donval L, Torre S, Bayoudh F. et al. Pyridoxine-dependent epilepsy: report on three families with neuropathology. Metab Brain Dis 2016; 31: 1435-43
- 3 Aquilano G, Linnér A, Ygberg S, Stödberg T, Henckel E.. Case report: Fatal outcome of pyridoxine-dependent epilepsy presenting as respiratory distress followed by a circulatory collapse. Front Pediatr 2022; 10: 1-5
- 4 Kaminiów K, Pająk M, Pająk R, Paprocka J.. Pyridoxine-Dependent Epilepsy and Antiquitin Deficiency Resulting in Neonatal-Onset Refractory Seizures. Brain Sci 2022; 12: 1-13
- 5 van Karnebeek CDM, Stockler-Ipsiroglu S, Jaggumantri S, Assmann B, Baxter P, Buhas D. et al. Lysine-Restricted Diet as Adjunct Therapy for Pyridoxine-Dependent Epilepsy: The PDE Consortium Consensus Recommendations. JIMD reports 2014; 15: 1-11
- 6 Coughlin CR, van Karnebeek CDM, Al-Hertani W, Shuen AY, Jaggumantri S, Jack RM. et al. Triple therapy with pyridoxine, arginine supplementation and dietary lysine restriction in pyridoxine-dependent epilepsy: Neurodevelopmental outcome. Molecular Genetics and Metabolism 2015; 116: 35-43
- 7 Coughlin CR, Tseng LA, van Karnebeek CDM.. A case for newborn screening for pyridoxine-dependent epilepsy. Cold Spring Harb Mol Case Stud 2022; 8: 1-11