Z Geburtshilfe Neonatol 2025; 229(03): e39
DOI: 10.1055/s-0045-1808381
Abstracts
Neonatologie: Gehirn/Neurologie

Status epilepticus nach Asphyxie als diagnostische Herausforderung: Antiquitin-Mangel als seltene Differentialdiagnose

T Graus
1   KJF Klinik Josefinum, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Augsburg, Germany
,
J C Stoffels
2   KJF Klinik Josefinum, Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Augsburg, Germany
,
TM K Völkl
1   KJF Klinik Josefinum, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Augsburg, Germany
,
A Praus
3   KJF Klinik Josefinum, Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Augsburg, Germany
› Institutsangaben
 

Hintergrund: Die pyridoxinresponsive Epilepsie (PDE) ist eine seltene Differentialdiagnose neonataler Krampfanfälle. Die autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung führt aufgrund eines α-Aminoadipin-Semialdehyd(AASA)-Dehydrogenase(Antiquitin)-Mangels zu einer epileptischen Enzephalopathie mit mannigfaltigen neurologischen – insbesondere refraktären Krampfanfällen – und metabolischen Symptomen, die u.a. als Folge einer schweren perinatalen Asphyxie missdeutet werden können [1]. Dies kann Diagnostik und Therapiebeginn verzögern.

Kasuistik: Wir berichten von einem reifgeborenen Mädchen (2680 g GG (-2,03 SDS, SGA) nicht konsanguiner Eltern, geboren durch eilige Sectio bei pathologischem CTG (APGAR 1/4/6, NS-pH 7,06, BE -18,8 mmol/l); in einer externen Geburtsklinik mit 2-minütiger kardiopulmonaler Reanimation bei V.a. Mekoniumaspiration erstversorgt. Sie wurde zunächst bei Dyspnoe und muskulärer Hypotonie invasiv beatmet; nach 1 Std. pH 6,99, BE -20,2 mmol/l, Laktat 17 mmol/l, Thompson-Score 9. Es bestand eine passagere pulmonale Hypertonie, Gerinnungs- und Glukosetoleranzstörung. 4 Std. postnatal zeigte sich erstmalig ein zerebraler Krampfanfall mit Schmatzen und Myoklonien der Beine, im EEG bilaterale hochamplitudige sharp waves, sodass bei V.a. hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE) die Indikation zur therapeutischen Hypothermie gestellt wurde. Es folgten weitere Krampfanfälle teilweise mit Übergang in Status epilepticus; im EEG burst suppression Muster, teils myoklonische oder hochamplitudige irreguläre Wellen. Im Verlauf war die antikonvulsive Einstellung mit Phenobarbital, Levetiracetam und Phenytoin nicht anhaltend erfolgreich, sodass zeitweise eine Midazolam- und Propofol-Dauerinfusion erforderlich war. In der zerebralen Bildgebung kein Insult- oder HIE-Nachweis.

An LT 13 erfolgte eine probatorische intravenöse Pyridoxin-Gabe mit promptem Ansprechen. Im Urin Pipecholin-, Piperidin-6-carbonsäure und AASA erhöht, molekulargenetische Bestätigung eines Antiquitin-Mangels durch compound heterozygote Mutation im ALDH7A1-Gen.

Unter oraler Substitution von Pyridoxin, Arginin und lysinarmer Ernährung ist die knapp 3-Jährige anhaltend anfallsfrei. Syndromtypisch besteht ein unterdurchschnittlicher Entwicklungsstand mit muskulärer Hypotonie und Sprachentwicklungsstörung bei grenzwertig auffälliger kognitiver Entwicklung.

Zusammenfassung: Der Fall zeigt, wie vielschichtig sich die Enzephalopathie durch einen Antiquitin-Mangel manifestieren kann. Sogar letale Ausgänge vor Diagnosestellung sind beschrieben [2] [3]. Hier kann letztendlich der gesamte perinatale Verlauf der PDE zugeordnet werden [1] [3]. Trotz Anamnese mit perinataler Asphyxie und partiellem Ansprechen auf Antikonvulsiva sollte daran gedacht werden [4]. Die aktuellen Therapieoptionen mit frühestmöglicher Pyridoxin- und Arginin-Gabe mit lysinrestriktiver Diät sind effektiv zur Entwicklungsoptimierung, sodass eine Einführung in das Neugeborenenscreening diskutiert werden muss [5] [6] [7].



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
19. Mai 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany